Der alte Weidenmann – Holger Much & Asp Spreng

Poesie küsst Malerei

Der alte Weidenmann - Asp Spreng und Holger Much
Der alte Weidenmann © Herz und Verstand Merchandising

Niemand traut sich in die Nähe der alten Trauerweide, die an einem Fluss steht und die Straße überspannt. Niemand ward je wieder gesehen, der nachts in ihre Nähe kam. Die Menschen im nahen Dorf fürchten sich nicht nur, sondern rücken ihr zu Leibe mit Äxten, Feuer und Gebeten. Denn sie versperrt die Straße und damit den Weg des Geldes in das Tal. Doch nichts nutzt, als wär der Baum ein Ungetüm. Die Menschen verlassen ihr Dorf bar jeder Hoffnung. Bis auf einmal die Fremde erscheint.

Asp alias Alexander F. Spreng hat sich einen Namen gemacht als Frontmann, Texter, Sänger, Komponist und Gründer der Band ASP, nicht wegzudenken aus der schwarzen Szene. Als Liedermacher schreibt Asp intensive, zu Herzen gehende Songtexte mit Tiefgang. In einer Sprache, die keine Töne braucht, um Musik zu werden. Mal elegisch, melancholisch, aber niemals hohl oder oberflächlich. Erinnert Euch an den „Schwarzen Schmetterling“, an den Krabat-Liederzyklus um die Zaubererbrüder oder entdeckt ASP neu mit der Welt um GeistErfahrer.

In seiner Ballade Der alte Weidenmann – ein Märchen in 49 Strophen – beweist er seine Dichtkunst ein wiederholtes Mal. Es würde mich nicht wundern, wenn das Motiv Einzug in ein schaurig-schönes Lied findet. Der  alte Weidenmann ist, wenn auch in Reimform, ein typischer Schauerroman – auf englisch Gothic novel – eine Spielart der Phantastik. Ganz archaisch geht es darin um Liebe und Treue, um Abenteuerlust, Verrat und Hingabe an ein großes Ziel. Zum Teil in Reimen, die faustisch anmuten.

„Denn nur wenn man sich mit Freuden,
ohne jeden Zweifel bindet,
dann geschieht es, dass die Seele
sich in der des andren findet
und das, was nur unbewusst
doch immer fehlte in der Brust,
das halb zu sein, endlich verschwindet.“

Ätherisch und schaurig schön

Die atmosphärischen Reime sind nur die eine Seite der Medaille. Verschmolzen sind hier die Lyrik Asps und die Malerei des nicht „Künstler“ genannt werden wollenden Malers, Zeichners und Illustrators Holger Much. Unnachahmlich düster oder farbenfroh lassen die beiden in glücklicher Liaison ein Kunstwerk entstehen. Die Bilder verstärken die Stimmung der Poesie und erhöhen sie. Die Strophen verraten die Hintergründe einiger Bilder. Auf manchen Seiten nur ein paar Blätter schwebend im  Wind oder Regentropfen, eine Efeuranke oder archaische Symbole in die Geschichte eingewoben. Auf anderen Seiten die ängstliche Dorfgemeinschaft mit großen Augen und Gesichtern, die ihre jeweilige Stimmung oder Intention widerspiegeln. Und wie die Texte von Asp bizarr mal in die ein oder andere Richtung deuten, genauso gilt das für die 99 Bilder Holger Muchs. Und immer wieder begegnen wir dem alten Trauerweidenmann in den verschiedenen Facetten seines Seins über die Jahrhunderte hinweg. Holger Much ist die richtige Wahl, der Geschichte noch mehr Leben einzuhauchen, weil sich die Aussagen dadurch verdichten. Er ist in die Asp-Welt eingetaucht und hat sich stilistisch ein wenig an das Musik-Video „Me“ von ASP angelehnt, das Tim Burton (Nightmare before Christmas und Corpse bride – Hochzeit mit einer Leiche) zur Ehre gereicht. Ich bin keine Kunstkritikerin, doch einige Bilder sind so magisch-schön, dass ich sie mir auch als Gemälde an die Wand hängen würde.

Das artbook ist nur über den Shop der Aspswelten für 24,95 € zu erstehen. Für dieses wunderschöne Bilderbuch für Erwachsene und ältere Kinder mit 99 Seiten und einer Erstauflage von 3000 Stück ein sehr geringer Preis, den auf den Tisch zu legen, nicht nur für ASP-Fans ein Gewinn ist.

Diese Rezension hat Gastrezensentin Amandara M. Schulzke geschrieben – Vielen Dank! ?

Der alte Weidenmann
Zwielichtgeschichten
Asp Spreng und Holger Much
Fantasy-Märchen-Artbook
Alexander F. Spreng
2017

Funtastik-Faktor: 82

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