Der Wandel – Kim Harrison

Spannendes Prequel mit Stolpersteinen

Der Wandel von Kim Harrison @ Heyne-Verlag
Der Wandel @ Heyne-Verlag

„Urban Fantasy“ beschreibt häufig die Existenz von Magie und übernatürlichen Wesen, wie Vampiren oder Werwölfen, in einem zeitgenössischen Setting. Anfang der 20 10er Jahre erlebte das Genre hierzulande eine Hochphase, in der vor allem der Egmont Lyx Verlag jede Menge Romane herausbrachte. Auch andere Verlage mischten mit, wie zum Beispiel der Heyne-Verlag mit der „Rachel Morgan“-Serie, geschrieben von Kim Harrison. Die Serie überlebte auch das Ende des Booms und der letzte reguläre Roman, „Blutfluch“ kam 2015 heraus.

Umso überraschender war, dass „Der Wandel“ angekündigt wurde, ein Prequel der „Rachel Morgan“-Reihe. Darin sollte beschrieben werden sollte, wie es zu der titelgebenden Veränderung dieser Urban-Fantasy Welt kam: Einem dramatischen Ereignis in den 1960er Jahren, als die Menschheit durch eine Biowaffe auszusterben drohte. Und die Existenz der sogenannten Inderlander, Wesen wie Werwölfe, Hexen oder Pixies, an das Tagelicht kam.

Wie es zum Wandel kam

Dr. Trisk Cormi ist eine hochbegabte Genetikerin. Sie hat maßgeblich zur Entwicklung einer Tomate beigetragen, die dem Hunger in der Welt entgegen wirkt. Gleichzeitig ist sie jedoch eine Elfin, eine langlebige Inderlander-Rasse, die vor Jahrtausenden aus dem Jenseits von Dämonen vertrieben wurden. Aufgrund eines Fluchs sind sie vom Aussterben bedroht. Auch dagegen will die Wissenschaftlerin Cormi ein Gegenmittel finden. In ihrer Familie gibt es jedoch dunkelelfische Einflüsse, und Trisk hat es schwer, sich in ihrem Geschlecht durchzusetzen. Vor allem ihr Rivale Trenton Lee Kalamack macht ihr das Leben schwer. Er ist von einem schon fast krankhaften Ehrgeiz getrieben, sich seiner Familie und seiner Spezies als gerecht zu erweisen. Dabei ist ihm jedes Mittel recht, Cormi jede Menge Hindernisse in den Weg zu werfen. Wodurch eine Katastrophe ausgelöst wird, die alles verändert.

Mit Prequels ist es immer so eine Sache. Wenn der Phantastik-Autor nicht aufpasst, kann er leicht den vorher in der Welt etablierten Regeln widersprechen. Dazu zählen zum Beispiel Kleinigkeiten, wie das Aussehen der Klingonen in der „Enterprise“-Serie. Oder die fortgeschrittene Technologie in der „Discovery“-Serie, die ja zeitlich kurz vor der allerersten „Star Trek“-Reihe angesiedelt ist. Ähnliche Probleme hat auch „Der Wandel“.

Dabei fängt die Geschichte gut an. Kim Harrison führt mit Dr. Trisk Cormi eine Protagonistin ein, die sich sowohl bei Elfen als auch Menschen Diskriminierungen ausgesetzt sieht, jeweils aus unterschiedlichen Gründen. Bei ihrer eigentlichen Spezies liegt es in ihrem Stammbaum begründet, dass sie ständig mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Und bei den Menschen liegt es daran, dass sie eine selbstbewusste Frau ist und die Gleichberechtigung in den 1960er Jahren noch nicht sehr weit fortgeschritten war. Umso beeindruckender ist es, wie sie sich durchsetzt, wie sie es schafft, trotz aller Widrigkeiten alle Erwartungen zu übertreffen.

Gleichzeitig erhält man auch einen guten Blick in die Gesellschaft vor dem „Wandel“. Vor allem Trents Freundin, die Pixie Orchid, ist ein Paradebeispiel dafür. Denn anders, als in früheren „Rachel Morgan“-Romanen, sind die Pixies in „Der Wandel“ vom Aussterben bedroht. Aufgrund der Zersiedelung und dem Einsatz von Pestiziden sind sie nur noch wenige.

Die Freundschaft zu Orchid ist der Faktor, der die Figur Trend humanisiert, erdet und freundlicher macht. Hier zeigt sich eine andere Seite des Elfs, der sonst als egoistischer, machtbesessener Kotzbrocken beschrieben wird. Die differenziertere Darstellung verhindert eine so nervtötende Wirkung des Charakters, dass man nach wenigen Seiten nichts mehr über ihn lesen mag.

Das titelgebende Ereignis selbst wird hervorragend beschrieben. Die Umwälzungen und die vielen Tode, die sich innerhalb kürzester Zeit ereigneten, hauen einen um. Es ist der perfekte Katastrophenfilm, den man hier vor sich hat. Jede Menge Schicksale, die einen nicht kalt lassen, sondern richtig berühren. Da liest man, wie eine ganze Familie innerhalb einer Nacht stirbt oder eine ganze Stadt durch Machtkämpfe innerhalb der Inderlandergemeinschaft dem Erdboden gleich gemacht wird.

Widersprüche zu den alten Rachel Morgan Büchern

Allerdings strotzt der Roman vor Ungereimtheiten, die in der Tatsache begründet liegen, dass es sich hierbei um ein Prequel handelt. Die Darstellung von Trent Kalamack stimmt zum Beispiel nicht mit der in vorab veröffentlichten Romanen überein. Im Prequel ist Trent deutlich als Wissenschaftler charakterisiert. In der „Rachel Morgan“-Serie steht seine Rolle als Magier und skrupelloser Geschäftsmann im Vordergrund, von einer Vergangenheit als Wissenschaftler ist nicht die Rede. Auch eine Beziehung zu Trisk Cormi wurde früher mit keinem Wort erwähnt. Gleiches gilt für die Figur Trisk selbst und die Ereignisse, in die sie verstrickt ist. Diese für die Rachel Morgan Welt wichtige Wendung, erwähnt keiner der älteren Romane. Es gibt immer wieder Passagen, an denen man sich als Leser der früheren „Rachel Morgan“-Romanen stößt, weil sie einfach nicht in die Kontinuität passen.

Vielleicht wird Kim Harrison diese Widersprüche in einem zukünftigen Roman aufklären. Allerdings sieht es aktuell nicht danach aus, da die Autorin vor kurzem erst eine andere Geschichte zu Ende geschrieben hat, die nicht im „Hollows“-Universum platziert ist. Was ihr aktuelles Schreibprojekt ist, ist leider nicht bekannt.

„Der Wandel“ ist kein schlechter Roman. Er ist gut geplottet und unterhaltsam geschrieben. Doch die Widersprüche zu den früheren Geschichten der „Rachel Morgan“-Serie sind offensichtlich und sorgen dafür, dass das Buch vor allem den „Altlesern“ nicht so gut gefällt.

Eine Rezension von Gastredakteur Götz Piesbergen – Danke!

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Der Wandel
Prequel zur "Rachel Morgan" Reihe
Kim Harrison (Übersetzung: Vanessa Lamatsch)
Urban-Fantasy
Heyne Verlag
August 2017
592

Funtastik-Faktor: 62

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