Die letzte Astronautin – David Wellington

Mysteriöses Space-Abenteuer mit etwas verschenktem Potenzial

Die letzte Astronautin - David Wellington © Piper
Die letzte Astronautin © Piper

Einst war Sally Jansen eine Vorzeigeastronautin. Bis sie auf einer Marsmission eine folgenschwere Entscheidung treffen musste, die nicht nur das Marsprogramm, sondern auch das Weltraumprogramm an sich beendete. Seitdem hat sie sich auf der Erde zur Ruhe gesetzt.

Eines Tages wird ein fremdes Objekt im All entdeckt, das Kurs auf die Erde setzt und künstlichen Ursprungs zu sein scheint. Auf die Schnelle wird eine Raumfahrtmission zusammengestellt, deren Leitung niemand Geringeres als Sally Jansen übernehmen soll. Sie willigt am Ende ein und entdeckt schon bald, dass an dem fremden Objekt mehr dran ist, als man zunächst vermutete.

Die Realität beflügelt die Fantasie

Als im Oktober 2017 das interstellare Objekt Oumuamua entdeckt wurde, beflügelte dies die Phantasie vieler an Space-Themen interessierter Leute. Es gab einige, die meinten, dass es ein Raumschiff sei, andere sprachen hingegen von einer Art Raumsonde. Insbesondere die Herkunft aus den Tiefen des Weltraums sorgte für teilweise fantastische Vorstellungen.

Für den Autor David Wellington war dieses Mysterium die Grundlage für seinen SciFi-Roman „Die letzte Astronautin“. Auch hier kommt ein interstellares Objekt ins Sonnensystem. Dieses allerdings mit eindeutigem Kurs auf die Erde, während Oumuamua auf die Sonne zu und einen Bogen um die Erde flog (Quelle: Wikipedia). Obwohl es in Wellingtons Geschichte aufgrund der physikalischen Gesetze noch dauert, bis das Weltraumobjekt der Erde gefährlich nahekommt, ist klar, dass man möglichst schnell herausfinden sollte, was es ist.

Personal und Perspektiven

Für die anstehende Mission in seinem Roman stellt der Autor eine bunte Crew zusammen. Mit der erfahrenen Sally Jansen, als Kommandantin, machen sich ebenso der Soldat Windsor Hawkins, die Forscherin Parminder Rao, sowie das junge Talent Sunny Stevens auf den Weg ins All. Die Geschichte fokussiert sich überwiegend auf das Quartett und ihre Mission. Ab und an wechselt allerdings die Perspektive zu dem Verantwortlichen auf der Erde Roy McAllister. Ereignisse, die vorher stattfanden und die man sich nicht erklären konnte, ergeben dadurch im Nachhinein einen Sinn. Einen ähnlichen Zweck erfüllen private Journaleinträge, die immer wieder in den Text eingestreut werden.

Ähnlich wie Clarkes Klassiker, nur düsterer

Nicht nur die NASA ist an dem interstellaren Objekt interessiert. Auch eine private Raumfahrtmission, von einer Firma geleitet, die in vielen Dingen skrupelloser vorgeht, will sich den fremden Besucher angucken. Und offensichtlich auch Eigentumsrechte daran beanspruchen, komme was wolle. Hier deutet sich ein explosiver Konflikt mit Drama-Potenzial an. Letztendlich geht David Wellington allerdings eher wenig auf diese andere Expedition ein. Er lässt sich Zeit, streut lediglich kleine Hinweise, die darauf hindeuten, dass die andere Crew bereits einen Vorsprung hat.

Vor allem die Eindrücke vom Innenleben des Objekts sind äußerst faszinierend. Ein wenig fühlt man sich an Arthur C. Clarkes Klassiker „Rendezvous mit Rama“ erinnert, wo es ja ebenfalls darum ging, ein fremdes Weltraumobjekt künstlichen Ursprungs zu erforschen. Wobei dieses während der Reise durch die abnehmende Distanz zur Sonne immer mehr zum Leben erwacht und lauter Wunder hervorbringt. So ähnlich kommt auch die Story in „Die letzte Astronautin“ daher, nur dass hier die Atmosphäre deutlich düsterer ist. Denn David Wellington beschreibt in seiner Geschichte einige Dinge, die es dem Leser kalt über den Rücken laufen lassen.

Verschwendetes Potential

Die Protagonisten agieren überwiegend glaubwürdig, vor allem Sally Jansen. Sie ist eine Getriebene, die sich beweisen und ihr „Vergehen“ von früher wieder gut machen will. Sie wird einem schnell sympathisch, was auch für fast alle anderen Akteure gilt. Allerdings lässt ab der Hälfte des Romans des Lesers Faszination für die Geschichte nach, als eine der Figuren sich zu verwandeln beginnt und am Ende zum Antagonisten wird. Diese Veränderung ist leider arg vorhersehbar. Darüber hinaus hatte Wellington keine überzeugenden Ideen für diese Figur, sie agiert platt und uninspiriert.

Auch aus der Handlungsebene mit dem Konkurrenten hätte der Autor mehr herausholen können. Der Koordinator auf der Erde, Roy MacAllister, besucht diese Firma und ein großer Konflikt deutet sich an. Doch am Ende läuft dieser Teil der Geschichte ins Leere. Was wirklich schade ist, da so viel Spannungspotential verschenkt wurde. Trotz der beschriebenen Schwächen lohnt sich unterm Strich jedoch die Lektüre von „Die letzte Astronautin“ für alle Fans von mysteriösen Space-Abenteuern.

Götz Piesbergen

Die letzte Astronautin
David Wellington, Übersetzung: Wolfgang Thon
Science Fiction
Piper
August 2020
Buch
476
Guter Punkt
70

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