Is there anybody out there?
Aron ist einsam. Das ist nun auch wirklich kein Wunder, ist er doch der letzte Mensch, der übrig geblieben ist. Alle Artgenossen wurden ausgelöscht, ein Genozid, wie er alle Millennia einmal in der Galaxis vorkommt. Es gilt Platz zu schaffen, neuen Lebensraum, neue Einflusssphären. Da ist der Untergang einer Zivilisation der sechsten oder siebten Klasse durchaus vorstellbar, ja sogar erwünscht.
Dank der Moy, einer Superzivilisation der achten Stufe, hat Aron zigtausend Leben gelebt. Sein Körper wurde dabei immer wieder erneuert, seine Erinnerungen heruntergeladen, damit er nicht an diesen vielen Bildern aus vergangenen Leben zugrunde geht. Dafür dient er den Moy als Agent. Er hat die Aufgabe, die Blender zu überwachen und einzugreifen, wenn sie einmal mehr eine junge, entwicklungsfähige Spezies mit ihren Einflüsterungen, mit ihrer Religion beeinflussen wollen.
Auf dem Planet Mulkain trifft er auf einen dieser Blender, einen Gegner, der ihm, als er ihn ausschalten will, ein Geschäft vorschlägt. Wenn Aron ihn am Leben lässt, führt der Blender ihn zu einem weiteren, noch lebenden Menschen. Eine Offerte, die sich zu gut anhört, um wahr zu sein. Eine Verlockung, der Aron nicht widerstehen kann.
Er findet eine Frau im Kälteschlaf – eine Frau, die die Moy für sich reklamieren. Hat der Blender recht? Ist in Wahrheit den Moy nicht zu trauen? Und was ist von der Nachricht der Frau zu halten, dass vor Jahrtausenden eine menschliche Flotte in Richtung Andromeda aufbrach? Gibt es etwa doch noch Menschen dort draußen?
Space Opera auf großer Leinwand mit dem Fokus auf einen Letzten seiner Art
Andreas Brandhorst ist ein Urgestein der deutschsprachigen Science-Fiction – und dies meine ich absolut anerkennend!
Ursprünglich als Heftautor („Terranauten“ Serie, Bastei-Verlag) gestartet, hat er sich als versierter Pratchett-Übersetzer einen Namen gemacht. Später startete er beim Heyne-Verlag dann seine große „Kantaki“-Saga, bevor er mit dieser zu Piper wechselte. Inzwischen sind dieser und weitere SF- Romane und Future-Thriller von ihm auch bei Fischer TOR erschienen.
Man kann „Ruf der Unendlichkeit“ getrost als eine Art von Fortsetzung des Zyklus betrachten, der mit den Romanen „Omni“ und „Das Arkonadia-Rätsel“ seinen Anfang nahm. Das Universum, die Zivilisationen und die physischen Begebenheiten sind in allen drei Romanen gleich, obschon in diesem ein Hinweis auf die beiden vorhergehenden Romane fehlt. Alle drei Romane lassen sich jedoch problemlos ohne Kenntnis der anderen lesen und goutieren.
Wie wir dies von Andreas Brandhorst kennen und schätzen, offeriert er uns keine tumbe Military SF, sondern eher ein großes Zukunftsgemälde, das vorliegend auch noch ohne eine menschliche Hochzivilisation auskommt. Nur ein Mensch hat überlebt und im Wesentlichen geht es um dessen Seelenzustand.
Wie nicht anders in seiner Situation zu erwarten, prägt den Protagonisten die Einsamkeit, fühlt er sich in einem Universum, in dem er der Letzte seiner Art ist, verloren. Diese unterschwelligen Gefühle, die aufkeimende Hoffnung, als er von einer möglichen weiteren Existenz seiner Art erfährt, hat Brandhorst wunderbar stimmig und überzeugend herausgearbeitet.
Daneben kreiert der Autor erneut das Bild eines gigantischen Universums, das so ganz anders ist. Und dabei so viel Überzeugender, als das, was wir sonst üblicherweise angeboten bekommen. Hier wird die unermessliche Größe der Galaxie deutlich. Hier erleben wir Alienrassen, die kein einfacher Abklatsch der Menschheit darstellen, sondern deren Handeln von ganz eigenen Motiven getrieben wird.
Letztendlich geht es auch hier um Macht, um Dominanz, um Herrschaft. Dazu gesellen sich Reisen durch die Galaxie, das Bild einer Maschinenzivilisation, Zeitreisen und Offenbarungen satt.
Man mag teilweise den Eindruck erhalten, dass unser Erzähler distanziert, ja blass bleibt. Dies resultiert aber meines Erachtens aus der Tatsache, dass er im Verlauf seiner vielen tausenden Leben über die Jahrmillionen die meisten seiner Erinnerungen ausgelagert hat. Ohne Erinnerungen sind wir nichts, sie prägen uns, wenn sie fehlen. Ohne Erinnerungen reduziert sich unser Wesen auf nicht viel mehr als die Befriedigung der Grundbedürfnisse.
Fazit
Insgesamt ist „Ruf der Unendlichkeit“ also wieder ein Buch, das uns eine andere, leisere, vielleicht auch tiefschürfendere Space Opera als gewohnt offeriert. Erzählt wird eine Geschichte, die ihren Fokus auf die wenigen Figuren legt, diese stimmig zeichnet und dabei spannend, dramatisch und kurzweilig unterhält.
Carsten Kuhr
Science Fiction
Fischer Tor
Oktober 2022
Buch
540
Arndt Drechsler-Zakrewski
82