The Stranger Times – C.K. McDonnell

Schräger, skurriler – The Stranger Times

The Stranger Times-C.K. McDonnell © Eichborn, roter Hintergrund, Flasche mit Tinte Schwarz-weiße Schrift
The Stranger Times © Eichborn

Publication seeks desparate human being with capability to form sentences using the English language. No imbeciles, optimists or Simons need to apply.

S. 9

Auf diese Anzeige bewarb sich Hannah Willis, ehemalige Dringwater und frisch geschieden. Verzweifelt genug ist sie, da sie nach Jahren komfortablen Reichtums in London nun in Manchester auf eigenen Beinen stehen muss. Von ihrem Ex-Ehemann, dem untreuen Bastard, will sie nichts. Jedoch lief ihr erstes Vorstellungsgespräch bei einem Möbelhaus nicht gerade gut. Überraschenderweise bekommt sie den Job bei „The Stranger Times“. Und muss sich nun mit schrägen Kollegen wie Ox und Reggie, die an UFOs und Geister glauben, einem Alkoholiker und Choleriker namens Banecroft als Chef und Artikeln wie „Der Geist von David Bowie will neues Material aufnehmen“ herumschlagen. Immerhin ist die liebenswürdige Redaktionssekretärin Grace ein Lichtblick und die Schwarze Praktikantin Stella vervollständigt das skurrile Team.

Der in der Anzeige erwähnte Simon hätte so gern einen Job bei „The Stranger Times“. Nun hat er sich anscheinend aus Verzweiflung aus dem 42. Stock eines im Bau befindlichen Hochhauses gestürzt. Doch die Redaktion glaubt nicht an einen Freitod und recherchiert die Hintergründe. Und stößt auf weitere mysteriöse Todesfälle mit sehr seltsamen Begleitumständen.

Schräge Typen, absurde Szenen und Dialoge bis zum Abwinken

Bancroft continued to glare at Hannah, but he spoke to Reggie. “What about it?”

“It had a toilet”

“I’d imagine it had several.”

“Yes,” said Reggie with a sigh, “but only one that the locals claim is possessed by the devil.”

Banecroft’s eyebrows rose slightly „Go on?”

“It’s in a pub. People claim that it speakes – issuing death threats, ominous predictions and…..”

“And?”

“Shortbread recipes.“

S. 88/89

Derartige Dialoge begegnen Lesenden fast auf jeder Seite, auf der McDonnell Szenen aus der „The Stranger Times“ Redaktion beschreibt. Absurd, schräg und oftmals tiefschwarz ist der Humor, der für so viele Lacher sorgt, wie man selten beim Lesen von Urban Fantasy erlebt. C.K. McDonnell nimmt sich viel Zeit jeden einzelnen aus dem Redaktionsteam und den mehr als ungewöhnlichen Redaktionsalltag in allen seltsamen Details zu beschreiben. Stichwort: der Idioten-Tag („Loon Day“ im englischen). Grace führt Hannah in diese monatliche Routine ein, bei der Bürger:innen aus Manchester ihre seltsamen Beobachtungen erzählen. Ein besonders hartnäckiger Kunde versucht immer wieder immer absurdere Geschichten für einige Pfund an das Magazin zu verkaufen.

So schrill die Charaktere auch herüberkommen, der Autor versäumte nicht, ihnen plausible Hintergründe mit auf den Weg durch ihre Abenteuer zu geben. Es hat seinen Grund, warum Banecroft so ein Kotzbrocken ist, tatsächlich schimmern gelegentlich zart andere Seiten seines Charakters durch. Hannah wurde als Protagonisten ausführlich charakterisiert und übernimmt meistens die Rolle der Erzählerin. Sie überzeugt als Identifikationsfigur und Sympathieträgerin.

Ein spannender Urban-Fantasy-Krimi Plot kommt ein wenig zu kurz

„Are you sure we‘re allowed to be here?” asked Hannah. “I mean…”

“The key of live,” said Banecroft, “is looking and acting like you know exactly what you are doing at all times. Margaret Thatcher said that.”

“Did she really?”

He turns and raised an eyebrow. “No, but thank you for having proofed my point [..]”

S. 172

Nachdem wir auch noch Manny, den halbnackten Drucker mit Rastas kennengelernt haben, der aus guten Gründen von sich selbst immer im Plural spricht, widmet sich die Handlung in der zweiten Hälfte des Romans den seltsam kruden Todesfällen, die die Redaktion untersucht. Schließlich stellt der Autor sein übernatürliches Manchester vor, einen Weltenbau, der durchaus überzeugt. Die Übernatürlichen (Founders) lebten unerkannt in der britischen Metropole, bis ein Vertrag gebrochen wurde. Leider kommt dieser Hintergrund insgesamt etwas zu kurz und wirkt rudimentär. Eine ausführliche Einführung der Figuren war C.K. McDonnell wichtiger.

Trotzdem entwickelt sich ein spannender und gruseliger Fantasy-Krimi Plot, der in einem spektakulären Finale endet. C. K. McDonnell bringt seine Protagonisten in ausweglose Situationen. Manchmal gelingt ihnen ein cleverer Lifehack, manchmal muss die Kavallerie zur Rettung eilen. Nicht alle losen Enden der Geschichte werden aufgelöst, ein recht wichtiges Detail bleibt ungeklärt. Vielleicht nimmt ein zukünftiger Band noch einmal Bezug darauf.

Fazit

„The Stranger Times” ist ein Must-Read für alle, die schräge und absurde Urban-Fantasy lieben und nicht allzu hohe Ansprüche an den Krimi-Plot anmelden. Dieses Buch lebt von liebenswert durchgeknallten Protagonist:innen, die sich der Aufgabe verschrieben haben, unterhaltsam über skurrile Geschehnisse zu schreiben, die niemand glaubt. Oder etwa doch? Die Geschichte ist auch eine grandios überzogene Persiflage über eine Medienwelt, in der Fakenews und haltlose Spekulationen immer extremere Blüten treiben und dennoch Anhänger finden.

Eva Bergschneider (Besprechung des englischsprachigen Originals)

The Stranger Times (Was, wenn die seltsamsten News die wirklich wahren wären)
The Stranger Times, Band 1
C.K. McDonnell (Übersetzung der deutschen Ausgabe: André Mumot)
Fantasy
Eichborn
Januar 2021
Buch
442
getty-images, Claudia Divizia
85

2 Gedanken zu „The Stranger Times – C.K. McDonnell

  1. Hallo liebe Eva,

    nun ich durfte zusammen mit anderen den 2.Band in Deutsch lesen und darüber sich austauschen bei LB.
    Ist schon eine extrem lustige Geschichte/Rahmenhandlung….der Autor weiß, wie Humor mit skurrilen Persönlichkeiten und deren Befindlichkeiten geht und auch gut bei den Lesern ankommt.

    Einziger Knackpunkt für meinen Geschmack…manchmal verliert die Geschichte ihre Handlung und so gibt es plötzlich viele andere kleine Geschichten/Handlungsstränge die einfach verwirren…mit Namen/Personen..

    LG..Karin..

    1. Liebe Karin, DANKE für Deinen Kommentar. Ich hörte schon vom Kollege Carsten, dass der zweite Band nicht ganz so gelungen ist, wie der erste und der Autor sind im Plot ein wenig verzettelt hätte. Ich schaue mal, ob ich ihn noch lese. Generell bin ich keine gute Serienleserin, weil für Rezensionen immer neue Buchideen dankbarer sind. Liebe Grüße, Eva

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