Welt der Schwerter, Band 2 – E.S. Schmidt

Epische Fantasy mit durchwachsenem Zieleinlauf

Welt der Schwerter, Band 2- E. S. Schmidt © Lindwurm Verlag
Welt der Schwerter, Band 2 © Lindwurm Verlag

Nachdem ich mit dem ersten Band beinahe rundum zufrieden, von Sprache, Worldbuilding und Charakterdesign sogar teilweise richtig begeistert war, habe ich mich mit entsprechend hohen Erwartungen an die Fortsetzung gewagt. Vielleicht zu hohen, wie sich herausstellen sollte – auch wenn die Geschichte nach wie vor zu fesseln weiß.

Doppelter Paarlauf mit Hindernissen

Wie schon im Vorgänger werden abwechselnd zwei Storystränge verfolgt – der eine um Thronfolger Siluren, der gerade dabei ist, sein Image als Zauderer und Hasenfuß Lügen zu strafen und das Reich zu verteidigen. An seiner Seite, wenn auch mit fragwürdiger Motivation, finden wir nun Kira. Gleich zu Beginn in einer beklemmenden, im wahrsten Sinne des Wortes albtraumhaften Gefahr. 

Der andere Zweig der Geschichte spinnt sich um Lynn, die Hohepriesterin, die Abgesandte der Erdmutter. Eigentlich nur als Braut für Siluren vorgesehen, als die Nebengestalt auf dem Doppelthron, liegt es in ihrem Schicksal, den wahren Willen der Göttin wiederzuentdecken. Ein Wissen, das seit Jahrhunderten vergessen ist und die Machtverhältnisse auf den Kopf stellen kann. An ihrer Seite als Geleitschutz Coridan, Silurens Halbbruder, zwischen der Treue zu diesem und seinen Gefühlen für Lynn hin- und her gerissen.

Es klirren die Schwerter

Der Krieg baut die Bühne für diese Geschichten, und es ist ein Bild, wie wir es aus der Fantasyliteratur kennen: Alte Feindschaften, Intrigen und Verrat, gewaltige Armeen, die ein Reich bedrohen und epische Zweikämpfe auf einem tobenden Schlachtfeld, die das Schicksal ganzer Völker entscheiden. Es ist wahrlich eine Welt der Schwerter, und hier spielt das Werk seine Stärken aus: Als Leserin stockt mir unwillkürlich der Atem, wenn gepanzerte Ulphane in die Schlacht reiten. Wenn ein strategisch genialer Schachzug eine beinahe aussichtslose Situation rettet und Siluren selbst zur Klinge greift. Das Kampfgeschehen hat eine innere Logik, wie man sie nur selten liest und ist gleichzeitig packend geschrieben, Gratulation an die Autorin.

Magie liegt in der Luft

In Band 1 war Magie großteils etwas, über das gesprochen wurde. Etwas, das manche fürchten, andere belächeln oder zumindest für überbewertet halten. Hier erlebt man sie hautnah – und fernab der üblichen Feuerbälle und Frostzauber, Liebestränke und Verwandlungsrituale. Egal ob die bizarre Mischung aus Blutmagie und Traumwanderungen oder das arkane Geheimnis um Lynns Mal, die wahre Kraft der Erdmutter und ihr ursprünglicher Wille. Hier vermischt sich fantasiereiche Mystik mit einer Hexerei, die ihre Zehenspitzen sogar gelegentlich in das schwarze Wasser der Dark Fantasy taucht. Gut gelungen, abseits ausgetretener Pfade erdacht und geschrieben.

Das verflixte 13. Kapitel

Es ist nicht zu leugnen: Auch der zweite Band hielt mich bei der Stange, wusste zu begeistern und hat mich mitfiebern lassen. Die letzte Schlacht ist ein erzählerisches Highlight, und rückblickend wäre vielleicht ein offenes Ende, ein Schlussstrich nach Kapitel 12, die bessere Wahl gewesen. Denn der dreizehnte und allerletzte Abschnitt, der die Funktion eines Epilogs übernimmt, macht so einiges über viele Seiten sorgsam Aufgebaute wieder zunichte. 

Und das liegt keineswegs am Ausgang der Geschichte, wie sich Lynns und Coridans, Kiras und Silurens Schicksale erfüllen. Das war absehbar, das war herbeigesehnt, das war genau so, wie ich die Geschichte selbst enden lassen wollte. Aber der letzte Weg dorthin – zum Kopfschütteln. Lynn und Kira, über zwei Bände als willensstarke Frauen gezeichnet, die sich gegen Fremdbestimmung aufzulehnen wissen, einen eigenen Kopf und Willen haben, scheinen genau das auf einmal zu vergessen. In einer Mischung aus Trotz und Selbstmitleid hadern sie mit der Situation, mit der Vorherbestimmung, aber geben sich letztendlich geschlagen. Keine Initiative, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, lieber Flucht in den Süden, gegen irgendwelche Piraten kämpfen, als um das eigene Glück zu kämpfen. Selbst im Wortgefecht artikulieren sie nur mehr, was sie nicht wollen.

Nein, es liegt dann am heldenhaften, aufrechten Coridan, sich ein Herz zu fassen und seinem Bruder entgegenzutreten. Vollkommen unnötig, denn der weise Siluren hat natürlich einen Plan, das Lebensglück aller Beteiligten sicherzustellen. Oh, die Frauen wissen sehr wohl, was sie wollen, was für sie am besten ist. Aber sie sagen es nicht, und es sind dann doch wieder die Männer, die es ihnen mit pragmatischer Genialität schenken.

Fazit:

Der zweite Band der „Welt der Schwerter“ ist immer noch über weite Strecken hochkarätige, unterhaltsame Fantasy, die ich gerne gelesen habe. Die Geschichte und ihre Charaktere fesseln weiterhin, die Magie ist spannend und die Action über jeden Zweifel erhaben. Aber ausgerechnet der im Ausgang selbst eigentlich befriedigende Abschluss der Story patzt unnötig in seiner Herbeiführung und schwächt damit ärgerlicherweise zwei bis dahin hervorragend aufgebaute Heldinnen.

Danke an Gastredakteurin Tamara Yùshān

Welt der Schwerter - Band 2
Welt der Schwerter, Band 2 einer Dilogie
E. S. Schmidt
Fantasy
Lindwurm Verlag
November 2021
Buch
337
Markus Weber
74

4 Gedanken zu „Welt der Schwerter, Band 2 – E.S. Schmidt

  1. Ich weiß, Autoren sollten nicht auf Rezensionen antworten, aber du hast da einen interessanten Punkt angeschnitten, und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zu dem Schluss, dass er an den Kern des Romans rührt. Da jede Geschichte auch ein Statement ist, eine Aufforderung zum Diskurs, möchte ich diese Gelegenheit gerne ergreifen, um mit einer intelligenten Rezensentin in eben diesen Diskurs zu treten.
    Du hast mich „erwischt“. Ich habe in Kapitel 13 abgebildet, was ich tatsächlich denke: dass viele Frauen eher für andere Kämpfen können (für ihre Kinder, ihre Familie), als für ihr persönliches Glück. Männern fällt es viel leichter, für sich einzufordern, was sie wollen. In einer nach männlichen Prinzipien funktionierenden Gesellschaft bedeutet das für Frauen einen Nachteil. Ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum Frauen in unserer Wirtschaft noch immer weniger verdienen als Männer.
    Eine Lösung wäre nun – wie du es vorschlägst – dass Frauen sich anpassen. Dass sie das männliche Modell übernehmen und für sich einfordern, was ihnen zusteht. Aber zementieren wir damit nicht das System? Bleiben wir damit nicht in einer „Welt der Schwerter“? Wie Siluren sagte: Herrscher sind so, weil sie sich ihre Macht erkämpft haben. Damit prägen sie ihre Welt.
    Die andere mögliche Lösung: Das System ändern. Es stärker nach weiblichen Prinzipien ausrichten. Ich denke, mit Lynn und Siluren an der Spitze hat Galaträa genau diesen Weg eingeschlagen. Ein Weg, der irgendwann in der Demokratie münden wird, einem System, in dem die Menschen *anderen* zur Macht verhelfen, damit diese allen geben, was sie benötigen und wünschen. Wie es Kira zu Siluren sagte: Diese Menschen kämpfen für Euch, damit Ihr *ihren* Traum wahr machen könnt.
    Zu idealistisch? Mag sein, aber darum schreibe ich Fantasy 😉.
    Über das Buch hinweg wurde Siluren als die Figur aufgebaut, die unkonventionelle Wege findet, wo kein anderer sie sehen kann. Der Neues denken kann. Daher musste die Lösung von ihm kommen (mal ganz unabhängig vom Geschlecht). Aber ohne Kira und Lynn wäre Siluren vom Schlaf in den Tod geglitten, und Coridan hätte eine Axt im Schädel. Im Grunde löst Siluren am Ende nur das ein, wozu insbesondere Kira ihm zum Thron verholfen hat – weil sie daran geglaubt hat, dass er Lösungen findet, wo es kein anderer kann.
    Versöhnt dich das ein wenig mit dem Kapitel 13?

    1. Ja, das versöhnt mich in der Tat. Durch diese Lupe betrachtet und reflektiert, hast du Recht – und ich wiederum fühle mich nun selbst ein wenig ertappt. Denn in der Tat neige ich selbst dazu, das männliche Modell zu übernehmen, doppelt Ellbogen einzusetzen, mit Klauen, Zähnen und Zynismus meinen Platz zu erkämpfen. Trage ich damit dazu bei, dass unsere reale Welt eine der Schwerter ist, wenn auch nur der verbalen und emotionalen Klingen?
      Vielleicht.
      Wahrscheinlich sogar.
      Ich schiebe es einmal darauf, dass ich zur Hälfte in einem Kulturkreis verwurzelt bin, der noch einmal eine ganze Stufe patriarchalischer denkt, agiert und diktiert als die „westliche Welt“. Und ich deswegen umso aggressiver um meinen Platz darin kämpfe. Ich sehe da auch keine Alternative dazu. Aber in einer Fantasywelt, und da stimme ich dir zu, dürfen wir ruhig idealistischer sein.

  2. Ich verstehe aber völlig deinen Impuls. Es könnte auch daran liegen, dass wir in dieser Welt fast gar keine Gesellschaftsmodelle finden können, die im Wesentlichen „weiblich geprägt“ sind. Wie könnte das wohl aussehen? Wie würde das funktionieren? Wie könnte sich das halten, ohne von „männlich agierenden“ Personen übernommen zu werden? In Afrika bilden sich inzwischen „Frauendörfer“ (findest du, wenn du „Umoja“ googlest). Sehr interessant, aber mehr ein Experiment als ein etabliertes Gesellschaftsmodell. Und natürlich gab es schon Angriffe mit Waffengewalt von Männern …
    Irgendwann will ich mal ein Projekt machen, in dem ich so eine Gesellschaft entwickle und sehe, ob und wie das zumindest im Rahmen eines Romans funktionieren kann (soll ein Near-Future Roman werden. Social SciFi).
    Aber auch das kann natürlich nur ein Übergang sein (als Gegenreaktion auf Bestehendes). Das Ziel ist, Eigenschaften und Verhaltensweisen irgendwann nicht mehr als „männlich“ und „weiblich“ zu klassifizieren, sondern als „hilfreich“ oder „zerstörerisch“ im jeweiligen Kontext. Aber noch genieße ich meinen gepflegten, weiblichen Chauvinismus. ;o)

  3. Hallo ihr beiden, ich mische mich mal kurz ein, weil ich gerade einen Artikel gelesen habe, der ziemlich gut hierher passt. Es geht darum, wie feministische Außenpolitik ausehen kann und sollte. Betont wird darin unter anderem, dass es eben nicht darum geht, mehr Frauen an den bestehenden patriarchischen Strukturen zu beteiligen. Sondern darum, das System zu ändern. Ist das nicht wunderbar, welche Erkenntnisse sich auf diesem Weg aus einem Fantasy-Roman ableiten lassen? Ich verlinke mal. https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-12/kristina-lunz-feminismus-aussenpolitik-weltpolitik-interview

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