Eine riesige Bandbreite an Geschichten zwischen Realität und Traum
Neil Gaiman gilt zurecht als einer der größten Erzähler unserer Zeit. Gerade lief auf Amazon Prime erfolgreich die Verfilmung seines zusammen mit Terry Prachett verfassten Romans „Good Omens“. Und auch die TV-Umsetzung von „American Gods“ erfreut sich regen Zuspruchs. Beiden Verfilmungen ist gemeinsam, dass sie zum einen die literarische Vorlage sehr werkgetreu und vollständig ins Filmische umsetzen, und zudem vorzügliche Mimen die jeweiligen Rollen verkörpern.
Seit ein paar Jahren bemüht sich der zu Lübbe gehörende Eichborn Verlag um das Oeuvre des Autors. Erweiterte Neuübertragungen seiner Romane boten und bieten dem Leser die Möglichkeit, einen der großen Phantasten unserer Zeit kennen zu lernen.
Das vorliegende Buch erschien bereits einmal, nämlich 2010 bei Klett-Cotta. Allerdings fehlten damals nicht nur sämtliche Gedichte Gaimans. Auch das informative, die Stories jeweils einordnende Vorwort und einige Erzählungen fielen damals unter den Tisch. Diese legt Eichborn nun in Übersetzungen von Ruggero Leò erstmals zusammen mit den bekannten Geschichten vor.
Ich bin, das muss ich gestehen, was Lyrik anbetrifft ein Banause. Insoweit kann ich mit den nun im Buch enthaltenen Gedichten nichts anfangen und eine Wertung kann ich hier schon gar nicht abgeben.
Auch die neu aufgenommenen Kurzgeschichten hinterlassen bei mir einen eher zwiespältigen Eindruck. Klett-Cotta hat durchaus mit Bedacht entschieden, welche Beiträge sie für die gekürzte Deutsche Erstausgabe auswählen und welche besser weggelassen sollten. Damit aber auch genug der Kritik.
Ob Cthulhu, Detektive, Aliens, Zombies, oder Götter – immer typisch Gaiman
Die Stories und Novellen decken eine riesige Bandbreite ab. Es gibt Beiträge um Detektive, um Aliens, Zombies, Götter und Geister. Gemeinsam ist den Texten, dass sie stilistisch wunderbar erzählt werden und ihre Leser verzaubern. Eine jede Geschichte ist anders, immer wieder überrascht der Autor mit anderen Plots, neuen Ideen und Situationen. Erwähnt sei, dass mich persönlich gleich die erste, mit dem Hugo-Award ausgezeichnete Geschichte besonders in ihren Bann zog. In ihr vereinigt der Autor den Cthulhu-Mythos mit Sherlock Holmes. Insbesondere die vielen in die Novelle eingearbeiteten Werbetexte, in denen der Autor Genregrößen seine Referenz erweist, peppen den Beitrag auf.
Ein jeder Leser aber wird sicherlich Beiträge finden, die sie oder ihn fesseln. Dabei nutzt der Autor seine Geschichten oftmals auch, um tiefgründige Gedanken und Überzeugungen zu transportieren. Wie so oft setzt er sich mit dem bewussten Leben und dem Tod auseinander, oft verklärt auf einer traumähnlichen Bühne.
So ist auch dieses Buch ein Beispiel dafür, wie Gaiman unerreicht an der Nahtstelle zwischen Realität und Traum wandelt und fabuliert. Wie er gängige Motive aufgreift und zu etwas Neuem abändert. Dabei sind nicht alle Beiträge gleich herausragend. Hier und da schleichen sich eher laue Aufgüsse bekannter Motive ein, die aber dennoch gut erzählt und stilistisch ansprechend daherkommen. Insgesamt bietet der Erzählband „Zerbrechliche Dinge – Geschichten und Wunder“ eine tolle Gelegenheit, Gaiman kennen zu lernen oder in sein Werk wieder einmal hinein zu schnuppern.
DANKE an Gastredakteur Carsten Kuhr
Fantasy
Eichborn Verlag
März 2019
412
Funtastik-Faktor: 83