Zu viel Schlachtengetöse, zu wenig Story in einem faszinierenden Rahmen
Skiars Söldnertruppe sitzt auf der isolierten Insel Isfayr fest. Der Ninra (eine Art Elf) Skiar führt die Gruppe, die Menschenfrau Nuava ist seine rechte Hand. Sie kam auf unbekannten Wegen von der Erde des 20 Jahrhunderts in diese fremde, archaische Welt, bevölkert von diversen humanoiden Spezies. Hätte Skiar sie nicht ausgebildet, wäre Nuava längst tot. Stattdessen töten sie gemeinsam für Geld. Alles was Nuava noch an ihre Vergangenheit erinnert, ist eine alte Jeansjacke.
Die Söldner bekamen den Auftrag, den sogenannten Propheten von Isfayr zu ermorden. Kein leichter Auftrag, denn Disridaer Ravanaic verlässt seine Zuflucht, die Zitadelle Kaer Varnacht, kaum. Doch plötzlich taucht er, von Soldaten hermetisch abgeschirmt, mitten in der Stadt auf und predigt. Eine bessere Gelegenheit, ihn umzulegen, wird nicht kommen.
Doch was der Prophet sagt, beeindruckt die hartgesottenen Söldner, die nach dem Motto arbeiten:
„Ein Job sollte sauber und ohne emotionalen Ballast sein.“
Disridaer behauptet, dass diese Welt künstlich erschaffen worden sei. Etwas vergifte den Äther und das Rad der Wandlung stehle den Ninraé ein Stück Seele.
Skiar ist unsterblich, da sein Seelenstein ihn nach dem Tod in einen anderen Körper transferiert. Allerdings bleiben ihm nur wenige Erinnerungen an frühere Leben. Und etwas scheint ihn auszuzehren. Während Nuava mit dem Rest der Truppe das Attentat vorbereitet, trifft Skiar eine einsame Entscheidung. Nicht wissend, welche Feinde ihnen auflauern und welchen Gräuel sie sich stellen müssen.
Vielseitiger Weltenbau, coole Charaktere
Horus W. Odenthals NINRAGON Buchwelt umfasst verschiedene Sagas, die phantastische Geschichten unterschiedlicher Genre-Richtungen erzählen. Derzeit durchläuft das Werk eine Wandlung und wird ab August 2019 in einem neuen, einheitlichen Gewand erscheinen. Ich kenne nur dieses eine Serienelement „Bevor die Welt sich wendet“. Doch auch für Neueinsteiger ist schnell offensichtlich, dass es mehrere Welten im Ninragon Universum gibt. „Bevor die Welt sich wendet“ spielt auf einer entlegenen Insel in der Welt der Ninraé, auf der es Portale gibt, die zu anderen Arealen führen. Allerdings ist das Portal auf Isfayr nicht passierbar. Warum erzählt vielleicht eine andere Ninragon-Geschichte. Wie es die Protagonistin an den Schauplatz dieses Abenteuers verschlagen hat, mag wieder eine andere Geschichte aus dem Ninragon Universum sein.
Dieser Erzählrahmen mit verschiedenen Welten ist wirklich interessant und macht Lust darauf, mehr aus Ninragon zu entdecken. „Bevor die Welt sich wendet“ erscheint als Grim&Gritty Fantasy mit einem Brückenschlag zu SciFi oder Mystery. Das Gefüge der Story ist wirklich gut konstruiert und bis ins Detail durchdacht.
Ähnlich vielschichtig sind die Charaktere, besonders die beiden Protagonisten Skiar Schattenmond und Nuava. Hartgesottene Söldner sind sie und dennoch empathische Personen mit tiefen Gefühlen und Konflikten. Besonders Skiar stellt sich, nach einer traurigen Begegnung, die Sinnfrage hinter der Reinkarnation der Ninraé. Bevor Nuava mit einer Perversion dieser Langlebigkeit konfrontiert wird. Faszinierend auch die Antagonisten, der finstere Zauberer und der Prophet. Zu schade, dass sie in der Geschichte nicht direkt aufeinandertreffen.
30% Schlacht – da bleibt viel Storypotential auf der Strecke
Allerdings ließ Horus W. Odenthal viele Möglichkeiten, die Geschichte noch interessanter und spannender zu gestalten, ungenutzt liegen. Die Begegnungen des Quartetts, um das sich die Handlung dreht, sind rar und im Kampf angesiedelt. Zwischen Nuava und dem Propheten gibt es immerhin eine recht interessante Begegnung, auch wenn deren Zustandekommen ein wenig gewollt konstruiert wirkt. Ein Highlight ist die Begegnung Skiars mit jemandem, der den schrecklichen Zaubers des Neaphraniten erfahren musste. Doch wir erfahren wenig über die Motive für diese Gräueltaten. Auch darüber, wie der Prophet zu seinen Ahnungen kam, gibt es wenige Informationen. Einfach nur, weil sie es können? Der Ninragon-Zyklus hält diese Hintergründe irgendwo bereit, nur leider findet sich keine Spur davon in „Bevor die Welt sich wendet“. Das ist unendlich schade, denn hier werden eine ganze Reihe hoch interessanter Themen lediglich kurz angerissen und anschließend nicht weiterverfolgt.
Umso größer fällt die finale Schlacht aus, sie nimmt beinahe 30% des gesamten Inhalts in Anspruch. Am Stück. Die Schlachtenführer beschreiben abwechselnd ihren Verlauf, hin und her. Das ermüdet und schließlich möchte man gar nicht mehr wissen, wer gewinnt. Zumal die ausschweifende Szene keine Überraschungen bereithält.
Horus W Odenthals Sprachstil ist sehr visuell. Bisweilen dehnt er die Bilder zu Slowmotion-Sequenzen. Das Lektorat hätte einige der überlangen und/oder verschachtelten Sätze etwas straffen können. Überwiegend ist der Text jedoch ansprechend und gut lesbar.
Nach einem verheißungsvollem Beginn mit außergewöhnlichen Story-Ideen, gelingt deren Umsetzung und Verknüpfung in der Story leider nicht. Insgesamt bleibt von „Bevor die Welt sich wendet“ auch aufgrund des vorhersehbaren Endes ein gemischter Leseeindruck zurück.
Wie bereits erwähnt bezieht sich diese Rezension auf eine Serien-Novelle, die ab Juni 2019 so nicht mehr erhältlich sein wird. Horus W. Odenthal strukturiert seine Romane in Zukunft einheitlicher. Die Geschichte in „Bevor die Welt sich wendet“ wird zum Roman „Der Prophet und die Söldnerin“ und führt den Leser in die NINRAGON Romanserie „Verlorene Hierarchien“ ein. Handlungssequenzen die hier ‚angerissen‘ wirken, stellen sich der nachfolgenden Serie möglicherweise runder und vollständiger dar.
Eva Bergschneider
Ninragon - Verlorene Hierachien, Serienband 27
Fantasy
Amazon Media
2017
Kindle Ebook
4012 KB, 188 Seiten
Funtastik-Faktor: 63