Brüder des Windes – Tad Williams

Eine Drachenjagd mit fatalen Folgen

Brüder des Windes - Tad Williams © Hobbit Presse, weisser Hintergrund, langer schwarzer Drache mit zwei Beinen un leuchtend rotem Maul und Augen im Vordergrund
Brüder des Windes © Hobbit Presse

In „Brüder des Windes“ erzählt Pamon Kes vom Volk der Tinukeda‘ ya (wenig schmeichelhaft Wechselwesen genannt) rückblickend die Geschichte um eine Drachenjagd, die er mit seinem Herrn Hakatri und dessen Bruder Ineluki erlebte. Und berichtet von dessen in vielerlei Hinsicht fatalen Folgen. Pamon Kes ist Waffenträger von Hakatri, dem Sohn des Protektors auf Asu’a, der stolzen Festung der Zida’ya. Für einen Tinukeda’ya ist es eine unglaubliche Ehre, einen derart hohen Stand einzunehmen. Pamon Kes‘ Volk verlor einen Teil der eigenen Identität, sie ordnen sich den Zida’ya als Dienende unter.

Cormach, ein Königssohn vom Volk der Sterblichen, kommt nach Asu’a und erbittet Hilfe. In sein Land ist ein gewaltiger Drachen eingefallen, der das Vieh der Bauern reißt und bereits Menschenleben auf dem Gewissen hat. Da die Zida’ya den Sterblichen dieses Land überlassen hatten und ebenfalls bedroht werden könnten, möchten sie helfen. Aber zunächst soll erkundet werden, was es mit dem Drachen auf sich hat. Ist es nur ein kleinerer Wurm, wie Ineluki glaubt? Oder handelt es sich etwa um die Rückkehr eines der gefürchteten Hidohebhi, wahrhaft monströse und extrem gefährliche Drachen? Ohne seine Eltern oder seinen Bruder zu informieren, reitet der stolze und impulsive Ineluki los, um das Biest zu töten.

Sein besonnener Bruder Hakatri folgt ihm, gemeinsam mit seinem und seines Bruders Waffenträgern, weiteren Zida’ya und Cormachs Männern.  

Die Gruppe spürt den Drachen auf, verliert zwei Gefährten und weitere werden verwundet. Ineluki hat die Gefahr unterschätzt und gibt zu, dass es sich tatsächlich um einen Hidohebhi handelt. Leider bringt ihn diese Einsicht nicht zur Vernunft, sondern zu einem folgenreichen Schwur. Er gelobt nicht nach Asu’a zurückzukehren, ehe er den Schwarzwurm erlegt hat. Niemand kann ihn von diesem Eid abbringen und so tritt die Gruppe eine Reise an, die langfristig das Schicksal der Zida‘ ya besiegelt.

Die bunten Wimpel vieler Clans flatterten an den höchsten Gebäuden, der bis an die Wolken reichenden Spitze des Nachtigallenturms, der gewaltigen und zugleich elegant geschwungenen Mauer der Halle der Tausend Blätter und den Mauern weiterer Gebäude aus schimmerndem Inselmarmor, der weiß war, wie frisch gefallener Schnee. Sogar wenn ich jetzt an Asu’a denke, fällt mir als Erstes das Asu’a ein, das ich an jenem Tag erblickte. Möge es sich immer auf der Landzunge über der Bucht erheben als Leuchtfeuer für alle, die guten Herzens sind.

S. 213

Ein wenig Historie aus Osten Ard

Die Zida’ya waren tausend Jahre vor den Ereignissen um den Sturz des Sturmkönigs Ineluki und Ernennung des Küchenjungen Simons zum König auf dem Hochhorst die mächtigste Spezies in Osten Ard. Davon handelt die „Das Geheimnis der großen Schwerter“ Tetralogie, die Tad Williams in den 1990er Jahren schrieb. Legenden in Osten Ard berichten, dass die Gartengeborenen, Hikeda’ya, Zida’ya und Tinukeda‘ ya auf Booten aus dem Garten nach Osten Ard kamen. Später landeten weitere Boote im Westen an, die Menschen waren da. Der Roman über die zwei Brüder Ineluki und Hakatri und den Waffenträger Pamon Kes spielt in der Zeit, nachdem sich die Hikeda’ya von den Zida’ya getrennt und in den Norden zurückgezogen hatten. Die Zida’ya, versuchten die in Osten Ard erbauten Städte zu halten. Bereits jetzt fürchten viele von ihnen, dass die kurzlebigen, sich aber rasant vermehrenden Menschen sie eines Tages verdrängen. Noch kooperieren Zida’ya und Menschen, während die Hikeda’ya sich den Sterblichen entgegenstellen.

„Brüder des Windes“ erzählt den Wendepunkt dieser Geschichte und nimmt oft Bezug auf die Ursprünge der Keida’ya (wie sich Zida’ya und Hikeda’ya vor der Trennung nannten), rezitiert alte Lieder und Sagen. Vermutlich stehen die meisten der hier vermittelten Fakten schon in den ersten Büchern der Osten Ard-Saga. Vor allem wenn die Lektüre einige Jahre her ist, macht es viel Spaß, in diesen Mythos einzutauchen. Insbesondere deswegen, weil sie aus der Perspektive der Zida‘ ya, beziehungsweise eines Angehörigen der Tinukeda’ya vorgetragen werden. Und nicht der der Menschen. Apropos Tinukeda’ya, sie spielen in den neuen Osten Ard Büchern „Der letzte König von Osten Ard“ eine wesentlichere Rolle und es ist ebenfalls interessant, ein wenig mehr über dieses Volk und ihr Schicksal zu erfahren. Auch wenn hier einige wenig liebenswerte Seiten der Zida’ya zum Vorschein kommen.

Kein Lückenschluss zum Drachenbeinthron

Wer allerdings hofft, dass „Brüder des Windes“ die Lücke bis zum Beginn des „Drachenbeinthron“ schließt, wird enttäuscht. Wie Ineluki zum Sturmkönig wird, bleibt weiter in Verborgenen. Es geht hier um die Drachenjagd, um deren schwerwiegenden Folgen für Hakatri und um Panon Kes‘ Schicksal. Osten Ard Fans wissen aus den chronologisch nachfolgenden Geschichten um „Das Geheimnis der großen Schwerter“, dass hier das Zeitalter der Zida’ya endet und das der Menschen anbricht. Doch diese Entwicklung deutet die Geschichte um die „Brüder des Windes“ lediglich an, erzählt sie nicht. Und das ist wirklich schade.

Das Unheil nimmt seinen Lauf

Dennoch erzählt der Roman in der ersten Hälfte eine spannende Abenteuergeschichte und ansatzweise eine interessante Charakterstudie der beiden unterschiedlichen Brüder. Das abwechslungsreiche Geschehen hat der Autor mit den historischen Auszügen unterfüttert. Die Symbiose dieser Textpassagen zu einer Einheit gelang Tad Williams wie immer ohne jegliches Info-Dumping. Uns so kommt in der ersten Romanhälfte die einseitige Erzählerperspektive des Pamon Kes in Ich-Form zwar etwas schlicht daher, ist jedoch trotzdem unterhaltsam zu lesen.

Dies ändert sich im zweiten Teil des Romans, in dem es fast ausschließlich um die Leidensgeschichte Hakatris geht und seine verzweifelte Suche nach einem Heilmittel. Diese anrührenden Textpassagen sind einfach deutlich zu lang geraten. Hakatris Schicksal und Veränderung sind durchaus eindrücklich geschildert. Die einseitige Erzählperspektive des Waffenträgers wirkt zunehmend langweilig, weil sich viele Betrachtungen wiederholen. Zwar macht der Waffenträger eine Entwicklung durch, doch diese gestaltet sich zäh. Die Treue zu seinem Herrn hält ihn effektiver gefangen, als Fesseln und Türschlösser es könnten.

Fazit

Eine Rückkehr nach Osten Ard fühlt sich wie Heimkommen zu einem vertrauten und geliebten Ort an, der jedoch immer wieder Überraschendes offenbart. „Brüder des Windes“ erzählt ein spannendes Abenteuer und viele interessante Details aus der Mythologie der Zida’ya. Aber leider verhältnismäßig wenig über die Brüder, insbesondere über Ineluki. Ich hätte wirklich gern etwas mehr über ihr konfliktreiches Verhältnis gelesen und über die charakterliche Wendung Inelukis zum Sturmkönig.

Eva Bergschneider

Brüder des Windes
Prequel der Osten Ard Saga
Tad Williams, Übersetzung: Cornelia Holfelder von der Tann, Wolfgang Ströle
Fantasy
Hobbit Presse
April 2022
Buch
368
Birgit Gitschier
75

Schreibe einen Kommentar