Auf zum letzten Gefecht
Seit den Geschehnissen im zweiten Band der „Rojan Dizon“ Reihe „Vor dem Fall“ hat der Schmerzmagier alle Hände voll zu tun. Er sucht Nachwuchs für die Generierung des lebensnotwendigen Glimm, das die Stadt mit Energie versorgt. Mahala – deren Gebäude und Gesellschaftsschichten sich von ganz unten aus dem Abfall in schwindelerregende Höhen zum Weltengipfel heraufschrauben. Gerade steht es ausgesucht schlecht um die Mega-Metropole. Denn ein unerbittlicher Feind, die Storad, nutzen die prekäre Lage, um den Stadtstaat zu erobern. Sie stehen unmittelbar vor den massiven Toren und schaffen immer mehr Truppen und schweres Kriegsgerät heran. Derek, der Verräter, führt sie an und weiß genau, wo der Hebel anzusetzen ist.
Rojans Magieschüler Allit sieht in die Zukunft, eine Fähigkeit, die im Krieg sehr nützlich ist. Was er sieht, verheißt jedoch nichts Gutes. Die Truppenstärke der Storads übersteigt die Mahalas um ein Vielfaches. Sollte die Stadt Freiwillige aus den untersten Schichten rekrutieren und bewaffnen? Erniedrigte und hasserfüllte Bürger, die sich am liebsten auf die regierenden Kardinäle stürzen würden? Oder wäre Lises magieverstärkende Riesenstrahlenpistole eine Option? Doch die Ingenieurin weiß nicht, was das Gerät dem Magier antut, der sich damit verbindet. Als Paschas Geliebte Jake in Gefangenschaft gerät, greift der Magier zu verzweifelten Methoden, um sie zu befreien.
Mit „Der letzte Aufstand“ lesen wir den dritten und letzten Teil der „Rojan Dizon“ Reihe von der britischen Autorin Francis Knight. Die Bücher sind nicht einzeln lesbar, sondern erzählen eine fortlaufende Handlung. Die LeserIn erwartet ein ungewöhnlicher und innovativer Mix aus Cyberpunk und Fantasy, ich kenne zumindest nichts Vergleichbares. Die Serie punktet mit einem ausgefallenen Schauplatz, einem extremen sozialen und religiösen Hintergrund und sich enorm entwickelnden Charakteren. Wer die beiden genannten Genre mag und eine herbe Sprache, die bis ins kleinste Detail alle optischen und olfaktorischen Grenzerfahrungen in der düsteren Mega-Metropole beschreibt, nicht scheut, dem sei die „Rojan Dizon“ Reihe ans Herz gelegt.
Eint der gemeinsame Feind?
Der Titel „Der letzte Aufstand“ ist etwas irreführend. Denn eigentlich geht es hier nicht um einen Aufstand in Mahala. Sondern um eine Stadt im Belagerungszustand und unter Dauerbombardement der Feinde vor den Stadttoren. Unmissverständlich beschreibt die Autorin Francis Knight die Not, die in Mahala herrscht. Selbst Rojan und seine Mitstreiter, die immerhin die Energie der Stadt aufrechterhalten, haben kaum etwas zu beißen. In den Armenvierteln essen sie Ratten.
Es ist daher nicht schwer für Rojan, magiebegabte Jugendliche zur Mitarbeit im Schmerzlabor zu bewegen. Obwohl sich dieses genauso anfühlt, wie es heißt. Das Essen ist besser und sie erfahren dort Wertschätzung. Mit Halina und Allit erhält diese Geschichte zwei neue Akteure, die wichtige Akzente setzen. Rojan selbst steckt noch mitten drin in der inneren Zerreißprobe zwischen dem ‚alten‘ und ‚neuen‘ Rojan. Vom egoistischen Macho zum altruistischen Weltenretter, der weit über die eigenen Grenzen geht. Diese charakterliche Wandlung wirkt keineswegs unglaubwürdig, sondern ist einfach der Familie und den Freunden geschuldet, die Rojan jetzt um sich hat. Bisweilen suhlt er sich arg pathetisch im eigenen Schicksal, doch überwiegend folgt man ihm als Leser gern durch seine kruden Abenteuer.
Intensiver als die Vorgängerbände geht „Der letzte Aufstand“ auf das krasse soziale Gefälle in der Stadt ein und wie sich dies auf die Position der Regierung auswirkt. In Mahala reagiert eine klerikale Staatsgewalt aus Kardinälen und sie werden aufgrund ihrer Dekadenz und ihrem Hang zu Korruption von den ‚kleinen‘ Leuten gehasst.
Doch im Krieg ist man genau auf diese Menschen aus den Unterschichten angewiesen: Räuber, Gangmitglieder, hinterlistige Kämpfer. Die Frage ist, ob man sie für einen Kampf gegen den gemeinsamen Todfeind gewinnen kann. Und gegen wen richten sie ihre Waffen danach? Ein äußerst interessanter Konflikt, den es mit Feingefühl zu lösen gilt.
Und am Ende wird alles gut?
Ein Wohlfühlfinale hätte nicht zur „Rojan Dizon“ Reihe gepasst. Das Ende bietet ein Wechselbad der Gefühle: Verzweiflung und Hoffnung zugleich. Möglicherweise hat sich Francis Knight ein Hintertürchen für eine etwaige Fortsetzung der Reihe offen lassen wollen. Doch dazu kam es nicht. Cyberpunk, selbst mit Magie garniert, ist gerade nicht en vogue im Phantastik-Literaturbetrieb. Schade eigentlich. Wie allen „Rojan Dizon“ Büchern fehlt es auch in „Der letzte Aufstand“ bisweilen an Dynamik, den Zug nach vorn. Manche Aktion, mancher Protagonist dreht sich im Kreis, bevor die Story weiter vorangetrieben wird. Nichtsdestotrotz überwiegen Spannung und Lesevergnügen. Vor allem dann, wenn man gesellschaftliche Abgründe und Widersprüche, sowie eine Leidenschaft für das Außergewöhnliche zu schätzen weiß.
Eva Bergschneider
Francis Knight
Science-Fiction
Papierverzierer Verlag
Januar 2017
Taschenbuch
376
Funtastik-Faktor: 74