Evas fünf beste Bücher 2019
Eine Rückschau auf die Bücher, die man aus einem Jahr am klarsten in Erinnerung behalten und am besten bewertet hat, ist eine Rückschau auf sich selbst. Wie haben sich die Lesegewohnheiten entwickelt? Welche Aspekte waren wichtig, um ein Buch besonders zu mögen? Welche Themen haben mich besonders interessiert und bewegt?
Es klingt inzwischen vielleicht abgedroschen, aber für mich ist das Stichwort Diversität der rote Faden meiner „Best of 2019“ Lektüre. Der Begriff bezieht sich auf die Figuren, aber auch auf die Art der Literatur. Denn jedes Buch sprengt die Genregrenzen und vereinigt die Vielfalt phantastischer Erzählungen.
Ich bin bei der Auswahl der Top-Five Bücher so wie immer vorgegangen und habe sie einfach nach der vergebenen Punktezahl ausgewählt. Denn die vergebe ich sowohl nach Bauchgefühl, als auch nach sachlichen Kriterien. Ein Problem bereiten die Bücher, die ich mit 85 Punkten bewertet habe. Davon gibt es stets mehrere Anwärter, die einen Platz in der Liste fordern, doch nicht alle können berücksichtigt werden. Sonst müsste ich die Liste erweitern und das möchte ich nicht. Im letzten Jahr haben es zwei 85 Punkte Bücher in die Liste geschafft, in diesem Jahr ist es nur eins.
Genug der Vorrede, los geht’s:
Drúdir – Masken und Spiegel – Swantje Niemann, gelesen im März 2019, 90 Punkte
Mit satten 90 Punkten, sogar noch mehr als für Swantjes Debutroman „Drúdir-Dampf und Magie“, habe ich „Drúdir-Masken und Spiegel“ bewertet. Denn dieser Roman hat mich nicht nur mit seinem Steamfantasy-Setting fasziniert. Sondern als richtig gut geplotteter Krimi mit einer komplexen Revolutionshistorie bestens unterhalten und zum Nachdenken angeregt.
Für den neuen Schauplatz Rhuvien dachte sich Swantje Niemann einen weitreichenden historischen Hintergrund aus, der die Grundlage für diesen Steamfantasy-Roman bildet. [..] Denn Swantje Niemann schrieb keinen Easy-Reading Roman, sondern einen komplexen Steampunk-Krimi. Die Story spielt auf zwei Zeitebenen und nimmt auf Ereignisse in der Vergangenheit Bezug, sowie auf Personen, die längst verstorben sind. Auch deren Vita gilt es, sich einzuprägen, als wenn es nicht schon genug Akteure gäbe. Sie alle sind jedoch wichtig für diese Geschichte um einen Rachefeldzug vor dem Hintergrund einer Revolution. Die trotz edelster Absichten Blut an den Händen der Aktivisten hinterließ.
Dunkle Ziffern – Diana Kinne, Fabienne Siegmund, Isa Theobald (Hrsg), gelesen im September 2019, 88 Punkte
Diese Anthologie bewegte mich auf emotionaler Ebene so intensiv, wie wenige andere Bücher. Und ich lernte daraus eine Menge über das Thema Missbrauch. Denn Missbrauch gibt in unterschiedlichsten Arten und Formen und jede davon ist schrecklich. Und er trifft nicht ausschließlich die Opfer, sondern zieht Kreise. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist die, dass der Missbrauch das Licht der Öffentlichkeit scheut und an Macht verliert, wenn wir ihn aus dem Versteck zerren.
Die Geschichten gehen unter die Haut und erwecken sogar Mut bei allen, die nicht länger die Augen verschließen wollen. Den Mut, der Angst und dem Schrecken zu trotzen. Die Courage, eine Missbrauchssituation zu erkennen und sich dem Täter entgegenzustellen. Die Entschlossenheit zur Hilfe und uneingeschränkter Solidarität mit den Opfern.
Binti – Nnedi Okorafor, gelesen im Mai 2019, 87 Punkte
In „Binti“ verschmelzen drei Novellen zu einem Roman. Das Buch wird unter der Rubrik Science Fiction geführt. Und doch ist „Binti“ vielleicht der Roman von Nnedi Okorafor, der am wenigsten typischer Science Fiction ähnelt. Obwohl die Protagonisten zu den Sternen reisen. Vielmehr lesen wir darüber hinaus einen afrikanischen Historienroman, angereichert mit der Mythologie des Volks der Himba. Und wir lesen einen Urban Fantasy Roman, in dem übernatürliche Fähigkeiten als Geisteskrankheit herabgewürdigt werden. „Binti“ erzählt Geschichten, die nicht nur überraschen und Spaß machen, sondern vor allem zu einem Blick über den eigenen kulturellen Tellerrand verführen.
Die „Binti“ Novellen erzählen Geschichten über die Entwicklung und die Folgen von intra- und interkultureller Intoleranz. Mit zerstörerischen, quälend bitteren und traurigen Konsequenzen. Die Einbettung in die Science Fiction, inklusive seltsamer Zukunftstechnologien und Aliens, sorgt für eine Verdeutlichung und Überzeichnung der Konflikte. Ihrer Ursachen, ihrer Entstehung. Trotzdem lassen sich diese auf Probleme in unserer Gesellschaft übertragen, die auf fehlende Toleranz zurückzuführen sind: Rassismus, Sexismus, Nationalismus.
Terra – T.S. Orgel, gelesen im Januar 2019, 86 Punkte
„Terra“ ist dagegen eindeutig der Science Fiction, oder besser der Space-Fiction zuzuordnen, weil die Geschichte sich auf dem Mond, dem Mars und im All dazwischen abspielt. Eingebettet in dieses Setting ist jedoch ein lupenreiner Krimi-Plot mit allem, was dazugehört: kleine und große Gauner, düstere, urbane Schauplätze, eine ehrgeizige und unbestechliche Ermittlerin, Mord, Verrat und Massenvernichtung. Sowie Weltrettung und Zukunftsvisionen. Dazu kommen viele innovative Details und futuristische Ideen, schräge Typen und Dialoge, sowie einige witzige Reminiszenzen an die Popkultur. Im Endergebnis: clevere SF Unterhaltung und einer meiner Favoriten unter den Orgel-Büchern.
Insgesamt ist „Terra“ ein Space-Thriller, der seine spannende Handlung sehr nah an authentischen Protagonisten erzählt. Viele lebensnahe, interessante und witzige Details sorgen trotz des futuristischen Settings für Identifikationspotential. Dazu beschäftigt sich „Terra“ mit elementaren Fragen, die sich viele Menschen heute stellen. Jedenfalls die, die über die eigene Lebenszeit hinausdenken und sich einen Fortbestand des Lebensraums auf unserem schönen blauen Planeten in der Zukunft wünschen.
Die Herren von Nebelheim – Susanne Pavlovic, gelesen im Juli 2019, 85 Punkte
„Die Herren von Nebelheim“ erzählt eine Fantasy-Geschichte, die in verschiedenen Zeitlinien spielt. Faszinierend daran ist, wie leichtgängig Susanne Pavlovic eine recht komplexe Erzählstruktur nicht nur in ein spannendes Fantasy-Abenteuer, sondern auch noch in eine mitreißende und diverse Liebesgeschichte integriert. Sicher, ihre „Abrantes“ und „Feuerjäger“ Romane lieferten die Story-Grundlage und die Figuren zu „Die Herren von Nebelheim“. Trotzdem ist dieser Band einzeln lesbar und liefert auf den übersichtlichen knapp 330 Seiten noch eine moralische Botschaft mit:
Stellen wir uns einmal vor, es käme jemand aus der Zukunft und würde uns erklären, dass auf der Erde in 50 Jahren ein großer Teil des Lebensraums für immer verloren ging. Dass Massen von Menschen auf der Flucht sein werden, die in ihrer Heimat nicht überleben, weil die Klimaerwärmung die Böden unfruchtbar machte, die Wasserquellen austrocknete.
Würden wir dann endlich unseren Lebensstil radikal ändern, um das Schlimmste aufzuhalten? „Die Herren von Nebelheim“ spiegelt dem Leser dieses Gedankenexperiment, ohne zu belehren, ohne eine Lösung zu präsentieren. Und das ist gut so.
Eva Bergschneider
Hallo liebe Eva,
nun auch wenn ich sie nicht kenne…die Cover sind z.T. schon mal eher ungewöhnlicher Natur und Gestaltung, wie mir scheint.
LG..Karin..
Hallo Karin, das liegt vielleicht daran, dass es sich bei vier der fünf Bücher um Veröffentlichungen aus Kleinverlagen handelt. Manchmal lassen die sich eine individuellere Gestaltung der Cover einfallen, als die „Großen“. Auch bei den Covern liegt für mich „Drúdir“ vorn. Das ist so hbsch und passt perfekt. 🙂 LG, Eva