Eine neue Herrscherin am Onyxhof und ein verheerendes Feuer
London im Jahr 1666: Der König von England und das Parlament liefern sich einen Kampf um die Macht im Land. Der Onyxpalast mischt sich in diesen Konflikt nicht ein. Denn er hat seine eigenen Probleme und seine eigenen Feinde, die großes Interesse daran haben, ihn auszulöschen. Diese politischen Konflikte werden jedoch schon bald von einer großen Katastrophe überlagert. Ein Feuer bricht in der Stadt aus und verbreitet sich rasend schnell, da ein Drache die Flammen immer wieder entfacht. Es bedroht sowohl die Welt der Menschen, als auch die der Feen. Am Ende müssen beide Seiten zusammenarbeiten, um London zu retten.
Diese kurze Zusammenfassung der Story in „Feuer und Schatten“ gibt längst nicht alles wieder, was Marie Brennan in ihrem zweiten Band der „Der Onyxpalast“-Reihe beschreibt. Das Jahr 1666 mit dem großen Brand von London ist zwar der zentrale Dreh- und Angelpunkt des Romans. Doch die Autorin wirft in vielen Teilen des Buchs einen Blick zurück auf eine Serie von Ereignissen, die zu den Geschehnissen von „Feuer und Schatten“ führen.
Keine Liebe und doch miteinander verbunden
Im Vergleich zum letzten Roman „Die Schattenkönigin“ hat sich einiges verändert. Lady Lune ist die neue Königin im Onyxpalast. Sie versucht einerseits, nicht denselben Fehler zu machen, wie ihre Vorgängerin: sich als erbarmungslose, eiskalte Herrscherin zu geben. Andererseits muss sie ebenfalls eine harte Machtpolitik mit fragwürdigen Mitteln betreiben, um nicht als schwach zu gelten. Um dabei nicht den Kontakt zur Welt der Sterblichen und deren Sorgen und Nöte zu verlieren, nimmt sie sich wiederholt sterbliche „Ehemänner“, die sogenannten Prinzen des Steins.
Doch diesen Beziehungen fehlt die innige Liebe, die sie für ihren ersten Mann, Michael Deven, empfand. Lange erfährt man nicht, was mit Michael geschah, ehe die Autorin eine Szene einbaut, die sein Schicksal offenbart. Es ist ein emotional umwerfender Moment, der einmal mehr verdeutlicht, wie viel Lune dieser Mann bedeute. Lange vor dieser Szene war klar, dass Lady Lunes Verbindungen zu den nachfolgenden Prinzen zwar gut, aber längst nicht so intensiv sind. Das wissen die Beteiligten und können damit problemlos umgehen. Der zweite Ehemann Anthony ist sogar selbst mit einer menschlichen Ehefrau glücklich verheiratet.
Eine unerwartete Gefahr für Menschen und Feen
In der Handlungsgegenwart wird die Beziehung zu Jack Ellin, Anthonys Nachfolger, behutsam aufgebaut. Dass der Arzt der aktuelle Prinz des Steins ist, erfährt man schon am Anfang des Romans. Während Anthony ein zurückhaltender Mann war, ist sein Nachfolger jung und direkt und somit ein gegensätzlicher Charakter. Marie Brennan achtet allerdings darauf, diesen Kontrast nicht zu stark zu betonen. Stattdessen gibt es viele Szenen, die den gegenseitigen Respekt zwischen den beiden Männern und zu Lady Lune betonen. Die Königin des Onyxpalasts und ihre Männer wirken dadurch interessant und sympathisch.
Der anfangs erwähnte Drache kommt nicht aus dem Nichts. Vielmehr wird er von einer Feindin Lady Lunes geschickt, als eine Konsequenz ihrer Machtpolitik. Denn obwohl sie sich bemüht, nicht in die Fußstapfen ihrer gnadenlosen Vorgängerin zu treten, hat auch sie eine kaltblütige Seite. Sie schickt Untergebene auf geheime Missionen und verweigert ihnen nach deren Erfüllung die Wiederaufnahme am Hof. Heimlich versucht sie auf deren Kosten herauszufinden, wie ihre Gegenspieler reagieren, um entsprechend vorbereitet zu sein. Eine Strategie, die nur bedingt funktioniert, da sie das Eingreifen eines Drachen nicht ankündigte.
Die Auswirkungen des Kampfs
Die Geschichte in „Feuer und Schatten“ umfasst einen Zeitraum zwischen den Jahren 1631 bis 1666. Geschickt verknüpft Marie Brennan die historischen Ereignisse, wie das Pestjahr (1665/1666) in London, mit den Geschehnissen am Onyxhof. Es gelingt ihr auf großartige Art und Weise, die komplexen Geschehnisse in unterschiedlichen Zeitebenen zu verknüpfen. Höhepunkt ist natürlich das große Feuer, bei dessen Bekämpfung die Feen eine bedeutende Rolle spielen.
Vom Kampf gegen das feuerspeiende Ungeheuer und gegen die Flammen erzählen Passagen, die die Autorin zwischen die anderen Kapitel einstreute. Dadurch wird die Neugier des Lesers auf diese dramatischen Ereignisse immer wieder neu erweckt, obwohl vorhersehbar ist, dass London die Brandkatastrophe übersteht. Es bleibt jedoch ungewiss, wie sich diese Katastrophe auf die Feen auswirkt, die teilweise bei der Bekämpfung mithelfen. Hier zeigt sich, wie eng die Schicksale von Menschen und Feen miteinander verbunden sind.
Im Vergleich zum Auftaktroman der „Onyxpalast“-Serie ist „Feuer und Schatten“ wesentlich besser geschrieben. Marie Brennan vermeidet die Fehler des Serienauftakts, wie das Einbringen eines Handlungsstrangs, der nicht zu den anderen passt. Trotz der verschiedenen Erzählstränge und Zeitsprünge ergibt sich ein stimmiges und spannendes Gesamtbild, weshalb das Buch wärmstens empfohlen werden kann.
Götz Piesbergen
Der Onyxpalast Band 2
Fantasy
Cross Cult Verlag
November 2019
598
Martin Frei
Funtastik-Faktor: 100