Halbar von Malan – Die letzte Prüfung – Ivan Ertlov

Solide Grim & Gritty Novelle mit einem Nachgeschmack

Halbar-die letzte Prüfung
Halbar von Malan – Die letzte Prüfung© Ivan Ertlov

Ivan Ertlov, bekannt geworden mit selbstverlegten Science-Fiction Zyklen, versucht sich nun in der Grim & Gritty Fantasy. Es erwarten uns also martialische Kämpfe, furchteinflößende Kreaturen und zwielichtige Helden. Ertlov legt mit „Halbar von Malan-Die letzte Prüfung“ eine Novelle von knapp 90 Print-Seiten vor. Der Autor kündigte an, dass er den hier vorgestellten Weltenbau und die Protagonisten für eine umfassende Romanserie nutzen wird. Der erste Roman zur „Tanz des Klingensängers“ Reihe „Zwergenstahl und Drachenfeuer-Die Königin von Hamb“ ist bei Amazon bereits in der Vorschau zu sehen.

Eine Prüfung und die eigentliche Bewährungsprobe

 Die Geschichte beginnt am Vorabend der Prüfung, die Halbar und seinen Freund Pjotr zu Klingensängern erheben wird, wenn sie sie bestehen. Nur wenige überleben die Prüfung, trotzdem dass die Kandidaten vorab von der Akademie auserwählt werden: als Jungen mit dem Blutfluch. Ein dämonisches Erbe, das seinen Trägern übernatürliche Kräfte und einen inneren Codex verleiht.

Die beiden Freunde verbringen diesen möglicherweise letzten Abend nicht gemeinsam. Denn Pjotr möchte gern einen drauf machen und sich mit einer Prostituierten vergnügen, während Halbar ein gutes Mahl und eine vernünftige Menge geistiger Getränke vorzieht.

Halbar absolviert die Prüfung erfolgreich. Jedoch vertreten sein Ausbilder und der Leiter der Akademie unterschiedliche Meinungen, ob er die letzte Prüfung wirklich bestanden hat. Halbar weigerte sich, einem Dieb die Hand abzuschlagen, eine Entscheidung, die der Ehrencodex der Klingensänger vorsieht. Doch er zögerte. Hat er nun den Blutfluch der Klingensänger, oder nicht?

Sein Schlafgemach in der Akademie lässt ihn am Leben, es ist ein weiteres Tool, um nicht berechtigte Kandidaten zu entsorgen. Doch die endgültige Prüfung steht ihm noch bevor. Halbar erhält den Auftrag, einen Dämon zu töten, dem bereits mehrere Bewohner des Dorfs Tuffen zum Opfer gefallen sind. Ein mächtiger Magier soll an ihm gescheitert sein.

Halbar macht sich auf den Weg. Und trifft sowohl den Magier Yorrick, als auch den Dämon. Beide sind ganz anders, als erwartet.

Hintergrund und Helden bereits für eine Reihe angelegt

 Es ist eine postapokalyptische Welt, die Ivan Ertlov für seine Halbar-Abenteuer ersonnen hat. Die menschlichen Bewohner nennen sich ‚Fallverschonte‘, sie überlebten also eine Weltenwende. Phantastische Geschöpfe wie Albrae und Zwerge tauchten, ähnlich wie in den „Shannara-Chroniken“ von Terry Brooks, erst nach dem Fall auf. Zumindest in dieser Novelle leben die Völker in friedlicher Koexistenz. Die Zwerge bauen Erze ab und verarbeiten Metalle, die Albrae geben sich geheimnisvoll. Also alles wie gehabt. Was die Novelle über den Weltenentwurf offenbart, verspricht trotzdem eine interessante Historie im Hintergrund, über die man in den Folgebänden sicherlich mehr erfahren wird.

Die Helden der kommenden Buchreihe, in ähnlicher Art zwielichtig, wie wir es aus Sapkowskis „Hexer Geralt“ Serie kennen, überzeugen als mutige, schlagkräftige Kerle mit dem nötigen Schuss dämonischer Magie. Besonders Yorrick ist ein interessanter, etwas obskurer Typ, der für Überraschungen sorgt. Gemeinsam bestreiten sie ein Abenteuer, das eine spannende Wendung nimmt. Selbst in dieser kurzen Novelle gelingt es Ivan Ertlov, mit der Erwartungshaltung des Lesers zu spielen und den Plot in eine unerwartete Richtung zu drehen. Die darüber hinaus auf mögliche weitere Geschichten verweist.

Soweit ist „Halbar von Malan – Die letzte Prüfung“ keine neuartige, aber solide konstruierte und spannend geschriebene Grim & Gritty Fantasy und wäre durchaus eine Empfehlung wert. Wäre da nicht ein Aspekt, der mir die Lesefreude verdorben hat.

Stereotype Frauen in der Fantasy – langweilig bis ärgerlich

Die Handlung beinhaltet lediglich zwei Begegnungen zwischen Männern und Frauen und beide transportieren von letzteren ein klischeehaftes, plumpes und abstoßendes Bild. In der ersten Szene sind es Prostituierte. Eine kühle Blonde und eine sich beinahe nackt räkelnde Schönheit haben nichts Besseres zu tun, als zu glotzen und zu schreien. Im zweiten Fall eine keifende Kneipenwirtin, die Halbar als Schwächling ansieht und unterstellt, er habe noch nie eine Frau zum ‚guten Schreien‘ gebracht. Ich erspare Euch, mit welchen Sprüchen Halbar kontert und sich die Anerkennung der umgebenden Kerle erwirbt.

Bestenfalls rufen diese Szenen einen ausgiebigen Gähnreflex hervor. Im schlechteren Fall sind sie für alle Leser und Leserinnen, die von misogynen Figurenzeichnungen in der Literatur einfach genug haben, nur schwer zu ertragen. Nicht die derben Sprüche stören. Sondern die Tatsache, dass in dieser Novelle jede Begegnung mit Frauen einen sexualisierten Kontext erfordert, und keine der Damen wenigstens ein wenig Grips und Charisma hat.

So bleibt von „Halbar von Malan – Die letzte Prüfung“ ein gemischter Eindruck zurück. Und die Hoffnung, dass Ivan Ertlov bezüglich der Frauen in seiner kommenden „Klingensänger“ Reihe sich etwas von anderen Autoren aus dem Grim & Gritty Fach, wie Horus W. Odenthal oder T.S. Orgel, abschaut. Gerade kampfbetonte Fantasy in archaischen Welten mit starken Helden profitiert enorm von interessanten Frauen.

Nachtrag vom 26. Juni 2020:

Ivan änderte die in meiner Rezension kritisierte Textstelle mit der keifenden Kneipenwirtin. Nicht imhaltlich, aber im Tonfall. Die Lady wirkt jetzt nicht mehr hysterisch, sondern äußert in markanten Worten eine ernsthafte Warnung.

Eva Bergschneider

Halbar von Malan - Die letzte Prüfung
Ivan Ertlov
Fantasy Grim & Gritty
amazon media
Mai 2020
89
Ivan Ertlov

Funtastik-Faktor: 65

in der geänderten Fassung: 69

5 Gedanken zu „Halbar von Malan – Die letzte Prüfung – Ivan Ertlov

  1. Ich habe erst verspätet zugegriffen, daher wahrscheinlich die „aktualisierte“ Version vor mir.
    Und die gefällt mir ziemlich gut, auch wenn aufgrund des Formats vieles zu kurz kommt.
    Die „keifende Vettel“ sehe ich als starken Charakter – sie ist die einzige (neben Yorrick), die sich nicht von dem mystischen Ruf der Klingensänger blenden lässt. Und Halbar zu einer ungewöhnlichen Handlung zwingt.
    Es ist insgesamt gute Unterhaltung, kein großer Wurf, aber 65 finde ich eher niedrig gegriffen.

    1. Hallo Armin,

      da Du die Wertung schon direkt angesprochen hast, habe ich mir nun überlegt, wie viel mir die Änderung, die Ivan vorgenommen hat, an Zusatzpunkten wert ist.
      Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich für die aktuelle Fassung 4 Zusatzpunkte vergebe und insgesamt auf 69 Bewertungspunkte komme.
      Ich hatte meine Kritik auf 2 Textstellen und 2 Aspekte bezogen: die Charakterisierung oder Darstellung der Frauen und der bemühte sexualisierte Kontext.
      Ivan beschreibt jetzt die Wirtin eher so, wie Du sie interpretierst: eine ältere Frau, die mit markanten Worten eine ernstgemeinte und begründete Warnung anbringt. Also nicht mehr das hysterisch keifende Weib, sondern positiver dargestellt. Ich denke aber immer noch, dass die Szene auch ohne den sexualisierten Kontext funktioniert hätte, den finde ich hier auch sehr bemüht.
      Und sonst – wie Du sagst. ganz ordentliche Grimdark oder Grim&Gritty Fantasy im Novellenformat, aber nichts wirklich innovatives. LG, Eva

  2. Eine etwas verspätete Erklärung:

    Der Kritikpunkt in Bezug auf die ältere Dame in der Taverne wurde von mir sorgfältig geprüft, als berechtigt empfunden und entsprechend ausgebessert – auch wenn die einzige Kritik diesbezüglich hier kam. Aber ja, da hätten eigentlich sowohl bei meinem eigenen Sanity Check als auch bei einigen der vielen Testlers*Innen rote Flaggen wehen sollen.

    Was das generelle Frauenbild betrifft, kann ich für die Reihe Entwarnung geben. Was eigentlich ohnehin klar sein sollte, wenn man sich die Historie meiner Veröffentlichungen ansieht:

    Der Onur Zyklus basiert auf einem positiv besetzten Matriarchat, wo die führenden Figuren großteils weiblich sind. Die in dieses Matriarchat eingeflochtene Lösung der gendergerechten (was eigentlich auch nicht stimmt, sie ist profeminin aufgebaut) Sprache (Kein „gendern“ per se, sondern die überwiegend weibliche Form bei höherrangig besetzten Positionen und eher das maskulin bei den Untergeordneten, also zum Beispiel „die Offizierinnen und Soldaten“) hat dem Werk auch einige Gastauftritte in gender studies / creative writing Vorlesungen beschert.

    In der Avatar Reihe ist nicht der Ich-Erzähler John Harris die treibende Kraft, sondern seine Kommandantin Alice Winston – Kriegsheldin, einzige Überlebende des Ghost Programms, sowohl Kämpferin als auch „Voice of Reason“.

    In „Generation 23“ dreht sich alles um Maria Gomez, knallharte Ermittlerin und Richterin.

    Warum sollte sich das in der Klingensänger-Reihe ändern?
    Eben.
    In Band 1 haben wir nicht nur die namensgebende Königin von Hamb an Start, sondern auch mit Kyara, Botschafterin von Tha und Hauptfrau Lieke van der Isar, Offizierin und erste Inspektorin ihrer Fürstin, zwei starke, komplexe und damit hoffentlich auch interessante Damen in der Heldengruppe.

    Was allerdings durchaus stimmt – wenn man die Novelle alleine betrachtet, fehlt dies, es gibt keine einzige Kämpferin, Heilerin, Direktorin. Ebenso kommen viele andere Aspekte zu kurz. Das war dann auch ein breiter geäußerter Kritikpunkt – nicht genug interessante Charaktere (ungeachtet des Geschlechts), nicht genug Tiefgang, keine humoristischen Ausreißer und witzige Wortgefechte.
    Das alles ist leider wahr, und dem Format geschuldet. „Halbar von Malan“ wurde gezielt für die neu ins Leben gerufenen Kindle Storyteller X Awards geschrieben. Das mag ein Fehler gewesen sein, der erst klar wurde, als ich an das Wortlimit stieß – 14.000 sind zu wenig für meine Erzählweise und mein Worldbuilding.

    Also, summa sumarum: Kritik angenommen und akzeptiert, aber „Zwergenstahl & Drachenfeuer“ wird ganz anders – und viel besser. Versprochen!

  3. Weil ich gefragt wurde, warum ich die Novelle nicht rezensiert habe: Fantasy ist nicht mein Fachgebiet. Gelesen habe ich Halbar natürlich – und, ganz ehrlich, mehr als 70-75 Punkte wären bei mir auch nicht herausgesprungen. Aber aus anderen Gründen – es fehlt einfach Tiefe. Gibt schon Gründe, warum ich normalerweise keine Heftromane mehr lese.

    1. „Weil ich gefragt wurde, warum ich die Novelle nicht rezensiert habe“ – nicht von mir, der Vollständigkeit halber. Und ja, im Nachhinein würde ich es nicht noch einmal so machen. Also, Format und Länge.

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