Netflix-Serie Grimm mit bayrischem Wortwitz und urigen Typen
Stefan Schwab ist Psychologe und betreut im Auftrag der Polizei Opfer von Kriminalfällen. Sein Freund, Kriminalkommissar Thomas Falbner zieht ihn zusätzlich gern als Berater zur Aufklärung besonders verzwickter Fälle hinzu. Und solche treten im Voralpenland gehäuft auf: Kindesentführungen, ein Ziegenfell tragender Hackenmörder, sowie tödliche Wolfsangriffe.
Es beginnt in Rosenheim, wo Schwabs Ex-Ehefrau lebt. Sein chronischer Geiz lässt Stefan Obdach bei Susanne suchen, wo er gleich ihren Neuen kennenlernt, den evangelischen Pfarrer Franz. Und beide sind in ihrer fürsorglich aufdringlichen Art mehr als bereit, den ermittelnden Psychologen zu unterstützen. Vierte im Quartett ist Anna Leitner, die mit den Ermittlungen betraute Polizistin aus Rosenheim. Eine clevere Frau, mit Herz, Verstand und Mumm. Dass alle vier unterschiedliche Rollen bei den Ermittlungen einnehmen und sich somit perfekt ergänzen, ist kein Zufall. Auch nicht, dass die kruden und absonderlichen Verbrechen an bayrische Volkssagen erinnern. Zumal Stefan von einem anonymen Informanten nebulöse Hinweise und ein altes Märchenbuch erhält.
Spätestens als ein verschwundener Teenager und okkulte Spuren das Quartett über die Grenzen des Freistaats hinaus nach Niedersachsen führen, wird klar, dass etwas Böses am Werk ist, das nicht von dieser Welt kommt.
Spannend und abgedreht
„Kohlrabenschwarz“ erzählt zunächst episodenartig von haarsträubenden Kriminalfällen in und um Rosenheim im beschaulichen Voralpenland. Schnell wird klar, dass es sich hier nicht um normale Verbrechen handelt, sondern um bizarre Gräuel. Die nicht nur Ammenmärchen aus dem Landstrich nachempfunden, sondern mit übernatürlichen Instrumenten verübt werden. Jede Episode steuert auf einen furchteinflößenden Wendepunkt zu, in dem Stefan Schwab und sein neuer Kumpel Franz alle geben müssen, um zu überleben. Dazu gilt es übelst zugerichtete Leichen zu untersuchen, mit Blut geschriebene Zeichen zu deuten, Opfer zu befreien und weitere Todesfälle zu verhindern. Und den gerade gejagten Gegner zu stellen, was nicht immer gelingt. Jede Geschichte legt an Abstrusität zu und den eigensinnigen Antihelden immer größere und kuriosere Stolpersteine in den Weg. Komplexität und Tiefe entwickeln sich aus der Rahmenhandlung, die jedem Fall zugrunde liegt und mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Und zu einem überbordenden, phantastischen Finale führt.
Klischee und Originalität in Harmonie
Ein hervorstechendes Merkmal des Hörspiels „Kohlrabenschwarz“ ist die gelungene Charakterisierung der Figuren. Tommy Krappweis und Christian von Aster formten aus auf den ersten Blick klischeebehafteten Figuren originelle Persönlichkeiten. Als Hauptakteur, der Psychologe Schwab, wie der Nachname schon sagt, geizig und ein wenig stur. Aber auch ein Charmeur, Empath, cleverer Kombinierer und waghalsiger Haudegen. Ihm zur Seite steht Franz und nicht nur Stefan fragt sich, was der eigentlich für ein Pfarrer ist. Dass er der evangelischen Kirche angehört, ist in Bayern schon ungewöhnlich genug. Dazu weiß er nicht allein salbungsvolle Sprüche, sondern handfeste Hiebe auszuteilen und mit der Schusswaffe umzugehen. Stefans leicht exzentrische Ex, Susanne, hat ebenfalls mehr drauf, als in die Rolle der Übermutter zu schlüpfen und homöopathische Pillen zu drehen. Meine liebste Figur ist jedoch Anna, eine taffe und kluge Polizistin, die Klartext redet. Im Job und in kribbeligen Gefühlslagen. Sehr gut getroffen ist das generische Amtsoberhaupt in Form des stellvertretenden bayrischen Polizeipräsidenten Kroiss. Genial daneben und sehr lustig.
Durch die Kombination von grausigen Verbrechen und urigen Typen ist die Atmosphäre des Hörspiels zwar düster, aber nicht schwermütig. Die mit Wortwitzen und Sprüchen angereicherten Dialoge zwischen Stefan und seinem Mitstreiter Franz, vor allem aber mit seiner Ex-Ehefrau, bringen Heiterkeit und Humor in die Geschichte. Mal geistreich, mal schwarz und gelegentlich trivial.
Fazit
Zu meckern gibt es wenig: lediglich der ein oder andere nicht ganz gelungene Witz, der um seiner selbst willen bemüht wirkt. Und manche Wendung, die wie aus dem Hut gezaubert erscheint.
Insgesamt ist „Kohlrabenschwarz“ ein spannungsgeladener Hörspielgenuss, der sich zum phantastischen Spektakel entwickelt. Mit Figuren, die trotz (oder wegen?) ihrer Verschrobenheit authentisch herüberkommen. Die hochwertige technische Umsetzung von bumm film, mit passenden, nicht vordergründigen Klangelementen und perfekten, exzellent vertonten Sprecher:innen rundet das Hörspielerlebnis ab. Mit „Kohlrabenschwarz“ kommt im längsten Stau und auf der ödesten Bahnfahrt keine Minute Langeweile auf. Gerne mehr davon.
Eva Bergschneider
Fantasy-Krimi
bumm film /audible
November 2020
Hörspiel
8 Stunden und 26 Minuten
Funtastik-Faktor: 80