Mit Leidenschaft und Liebe Visionen schaffen

Per Anhalter durch die Phantastik

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Das 2. PAN-Branchentreffen 2017 in Berlin war so ungeheuer reichhaltig, vielfältig und vollgestopft mit  kreativen Köpfen und klugen Gedanken, dass ein kleiner Beitrag ihm nicht im Geringsten gerecht werden kann. „Per Anhalter durch die Phantastik“ machte wie Arthur Dent, der Held von Douglas Adams, auf dem ein oder anderen Planeten Station und ließ sich mit diesem oder jenem Schiff zu ausgewählten Themen tragen.

E-book und self-publishing

Die Autoren müssen mit der Zeit gehen, die sie selbst prognostiziert haben. Keinen fetten zwei Kilogramm schweren Wälzer mehr, sondern einen leichten Reader mit verstellbarer Schriftgröße, Übersetzungsprogramm und Markierfunktion inklusive? In Deutschland heißt es mit einem Marktanteil von knapp fünf Prozent immer noch Marktherrschaft für die gedruckten Bücher – international nimmt das Lesen von E-Books zu.

Wie einfach oder wie schwierig es sein kann mit mehr oder weniger eigenem Engagement, ein e-book zu produzieren, darüber referierte Patricia Gentner von tolino media. Der Tolino-Reader hat die Amazon-Kindles überholt und vertreibt über 300 000 Titel über Weltbild, Hugendubel und Thalia. Logisch, dass self-publishing für viele Autoren immer interessanter wird, vor allem, weil mehr Honorar für sie übrig bleibt und es einfacher ist, als einen Print-Verlag von einer Veröffentlichung zu überzeugen. Dienstleister kümmern sich auf Wunsch um das Coaching, Lektorat, Umwandeln in ein e-book, Marketing, PR und Vertrieb von e-books oder Printausgaben von self-publishern. Autorin Mara Woolf schuf ein eigenes Shuttle für selbst verlegte Bücher.

Immer wieder wurde auf der Veranstaltung der Wunsch geäußert, mit dem Kauf eines gedruckten Buches zugleich eine e-book-Fassung zu erwerben. Das funktioniert wegen unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze nicht mehr und ist somit ein steuerliches Problem. Es ist sogar möglich, selbst im e-book zu lesen und sich die Hörbuchfassung, die an derselben Stelle beginnt, an der das e-book aufgehört hat, im Auto oder beim Kochen weiter an zu hören. Technik, die begeistert. Doch ist sie nichts, wenn nicht Herzblut für das Produkt vergossen wurde.

Zombie-Apokalypse

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© DasWortgewand/pixabay.de

Die nächste Station auf der Reise hieß „Hoaxilla“, ein von Monstern und Zombies bevölkerter Planet, radioaktiv verseucht und von Außerirdischen infiltriert. Auf ihm untersucht die Ethnologin Alexa Waschkau Verschwörungstheorien. Während sie z.B. „Chemtrails“ als Quatsch abtat, warnte sie vor einer weltumfassenden Pandemie und Zoonosen. Die Anhalter (Workshop-Teilnehmer) sollten sich überlegen, was das für ihre Menschlichkeit bedeuten könnte, wenn die Mitmenschen um sie herum zu Zombies und Monstern werden. Wie gehst Du persönlich mit dem moralischen Dilemma um, einen Mord zugunsten der Allgemeinheit zu begehen?

Phantastische Monster in Hörspielen

Allen Leseratten und Bücherfreunden führten Hörspielmacher: Autoren, Sprecher und Insider die wachsende Beliebtheit von Hörbüchern und Hörspielen vor Augen. Audible als größter Anbieter von Hörfreuden betreibt einen riesigen Aufwand, um dem geneigten Hörer beste Qualität zu liefern. Gibt es doch fast 40.000 deutschsprachige Hörbücher, von denen nach Thrillern SciFi und Fantasy mit mehr als 4000 Titeln zum beliebtesten Genre gehören.  Dieser besuchte Planet verdient demnach größere Aufmerksamkeit, sodass phantastisch-lesen ihm Ende Mai einen eigenen Beitrag widmen wird. Angeregt durch den Besuch habe ich aber schon einmal die erste Staffel von „Monster 83“ herunter geladen, der erfolgreichsten deutschen Hörspielreihe, die ab Oktober 2017 in Staffel 3 geht.

Ab durchs TOR

Ab durchs TOR in magische Welten. Besucht haben wir TOR-Online, das Portal des Fischer Tor Verlags für Science Fiction, Fantasy und den ganzen Rest. TOR-Online war einer der Sponsoren der phantastischen Reise. Der Planet gibt Autoren eine Bühne, veröffentlicht Kurzgeschichten und Features, bildet weiter mit einer Kolumne von Silvia Englert (siehe Katja Brandis) „Fantasy schreiben“, informiert mit einem Kalender über Conventions und Rollenspiele und stellt natürlich die Neuerscheinungen von Fischer Tor vor. So kann sich die ganze Community dort tummeln und in Blogs stöbern.

Immersiv

Dann tauchte die ganze Autorenbande ab oder ein – je nachdem – und war total gefangen in einer magischen Welt. Wie das gelingen kann, davon wusste Thomas Zorbach von vm-people zu berichten und zwar am Beispiel von Sebastian Fitzeks Psychothriller „Das Joshua-Profil“, in dem das Buch „Die Blutschule“ von Max Rhode die marginale Rolle spielte. Der Leser wurde auf der Jagd nach der Verbindung von Rhode und Fitzek von Anfang an in die Handlung mit einbezogen und damit Teil der Geschichte. Plattformübergreifendes Storytelling heißt das neudeutsch und ist eine Werbemöglichkeit für Verlage und Autoren, die bestimmt in den nächsten Jahren an Gewicht zunimmt.

Alltag
Nein: Die Reise ging nicht zu einem voll langweiligen Ziel, sondern zu einem verspielten Alltag. „Gamifikation“ nennen das die Experten. Phantastische Spielewelten und ihre Abgrenzung zur Realität war der Untertitel dieser explosiven Runde. Trotz aller Digitalisierung, oder gerade wegen dieser, erkennen Fachleute einen Trend, wieder vieles selbst zu machen und zu erleben – von der Handarbeit bis zum Handwerk.
Eine positive Überraschung bescherte uns der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates Olaf Zimmermann, der dafür einsteht, die kulturpolitische Diskussion auf allen politischen Ebenen anzuregen und für Kunst-, Publikations- und Informationsfreiheit einzutreten. Der Kulturrat ist der Dachverband der Dachverbände:

„Es ist künstlerisch alles erlaubt, was nicht dem Jugendschutzgesetz widerspricht“.

Fabienne Siegmund PAN Autorennetzwerk 2ndPANBT
©Fabienne Siegmund -PANBT

Entgegen aller Unkenrufe unterstützte er den Wert phantastischen Schaffens, zu dem auch die gesamte Spielebranche gehört. Wie Kunst und Kultur definiert werden – dazu wollte er sich nicht äußern, weil das den Rahmen der Runde gesprengt hätte.
Verändern PC-Spiele unsere Realität? Da kam sofort die Erinnerung an den Amok-Läufer von Winnenden hoch, dessen liebstes Hobby Killerspiele waren. Gibt es nur Killer- oder Kinderspiele?  Doch selbst in manchen Killerspielen gibt es durchaus gute Plots und Queste wie in „Grand Theft Auto 5“. Und in Kinderspielen laufen Erwachsene gegen Straßenlaternen „Pokemon go“. Wenn eine(r) zum Mörder werden will, braucht er zuerst eine Tötungsphantasie und dann erst können ihn Bücher oder Spiele dabei unterstützen.

Die Reisenden, die die ganze Zeit debattierten, waren neben Olaf Zimmermann, Alexa Waschkau, Autorin von „Hoaxilla“, Mirka Uhrmacher, Lektorin Community Editions und Felix Schniz, Wissenschaftler Game Studies an der AAU Klagenfurt. Sie streiften Themen wie „Wie weit ist es vertretbar, wenn sich Fiktion als Realität verkauft?“ Stichpunkt: George Orwells „1984“. „Sind ethische Entscheidungen spielbar? Holocaust?“ „Inwieweit müssen ‚Fake News‘ als solche gekennzeichnet werden?“ Erinnert Euch an die „Emser Depesche“, die den deutsch/französischen Krieg 1870/71 auslöste.
Die einzige Alternative zu Fake News ist Bildung und mit der Schlussfolgerung war leider dieser intensive Besuch vorbei.

Gipfeltreffen im Wunderland

Wieso sollte „frau“ bei einer Lesung mitschreiben? Weil vielleicht ein Autor nicht nur leicht Nachzulesendes vorliest, sondern geflügelte Worte von sich geben könnte. Es hat sehr viel Spaß gemacht mit Luci van Org und Christian von Aster. Am Anfang ließ uns Christian von Aster Schäfchen zählen: WACH. Auch so sind alte nordische Sagen erzählbar: Odin und Konsorten hätten ihre wahre Freude an Deinen Geschichten gehabt, liebe Luci. Loki lacht sich schlapp in Walhalla. Während einigen die Tränen in den Augen standen bei der „Gentrifizierung des Wunderlandes“ und der Forderung nach einer Wunderland-Miliz. „Zwischen Kommerzkacke und Kunstkacke gibt es so viel Wunderbares.“, so Christian von Aster. Während eines vorhergehenden Blockes, ich glaube über Ebooks, war er aufgesprungen und hatte leidenschaftlich Leidenschaft und Liebe eingefordert. Wie heißt es in der Geschichte: „Doch es gibt sie noch immer, jene kleinen verwunschenen Orte jenseits des gemainstreamten Phantastikidylls…“

Neuigkeiten am zweiten Tag des Branchentreffens

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Am frühen Samstagmorgen wurden die Phantasten in die Mitgliederversammlung katapultiert. Die ganz große Neuigkeit: Die Mitglieder haben einstimmig beschlossen, auch Selfpublisher in das PAN aufzunehmen. Am Ende der Flugbahn stand also die „Aufnahme von Self-Publishern, Nachwuchsmitgliedern und Kurzgeschichten-Autoren“. Der alte und neue Vorstand: Diana Menschig, Lena Falkenhagen und Fabienne Siegmund. Danke für Euer Engagement, das der Phantastik hoffentlich bald zu mehr gesamtgesellschaftlichem Ansehen verhilft.

Pseudonyme

Das war der Besuch bei Planeten, die stets ihren Namen wechseln, je nachdem, was gerade angesagt ist. Alana Falk erzählte, warum sie drei Namen braucht. Weil sie drei verschiedene Zielgruppen anspricht: die jugendlichen Fantasyleser, die New Adult-Liebesromanleser, die einem Hauch Erotik nicht abgeneigt sind (Lily Oivier) und  als Emilia Lucas die Erotikromanleser. Grit Fischer und Tom Hillebrandt debattierten mit. Wir flogen weiter zum Kulturgut Buch und begrüßten die Worte Eva Leipprands, Bundesvorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller. Professor Volker Wittpahl Leiter des Instituts für Innovation und Technik setzte uns in eine Zeitmaschine in die Vergangenheit und zeigte Grafiken von Vordenkern, wie sie sich unsere heutige Zeit vorgestellt haben. Er bat uns als die Phantasten um neue soziale Utopien und Visionen.

Leinwand

Michael Endes „Unendliche Geschichte“ 1984 war DIE deutsche Fantasyfilmproduktion. Seitdem ist Phantastisches aus deutscher Produktion äußerst rar geworden. Warum das so ist, darüber diskutierten neben dem Autor Kai Meyer,  der Produzent Simon Happ und der Regisseur und Produzent Huan Vu. Es scheint, als würden sich nur Kinder an phantastischen Filmen erfreuen dürfen.

Networking XXL

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Jeder Besuch der einzelnen Planeten brachte Neues, Altes, Inspiration, Klarheit, Staunen – Information und Gefühl. Wie das bei einer weiten Reise ist, erinnert sich der Reisende doch oft nicht nur an die großen Sehenswürdigkeiten, sondern an die Staubpartikel, die im Sonnenlicht tanzen und an die vielen kleinen glänzenden Splitter des Daseins und den Duft der großen weiten Welt. Das waren die Gespräche mit wunderbaren Menschen in den Pausen und die Begegnungen mit neuen und altbekannten Gesichtern. Voller Vorfreude auf das nächste PAN Treffen in Köln 2018
Amandara M. Schulzke

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