Mal wieder ein deutscher Fantasy-Krimi
Vor einigen Jahren ist es Kaiser Vargaz gelungen, die astranische Königin zu verführen. Seitdem erpresst er die Monarchin. Zum einen um sein karges Land mit Lebensmitteln zu versorgen. Aber auch, weil er ein despotischer Zyniker ist, der sich am Leid seiner Opfer erfreut. Unzählige vergewaltigte Untertaninnen können ein Lied von seiner perversen Rücksichtslosigkeit singen.
Um seiner Ehefrau einen Gefallen zu tun, verlangte er in diesem Jahr als Zugabe die Übersendung von Schriftrollen, mit deren Hilfe Dämonen beschworen werden. Ritterin Rheanne wurde von ihrer Monarchin ausgewählt, die brisante Fracht zu überbringen.
Auf der Seefahrt an Bord der Adlerschwinge ereignete sich ein Mord, der sich bei genauerer Ermittlung als die Tat eines Dämons entpuppte. Ritterin Rheanne klärte das Verbrechen mit Hilfe eines zum Menschen verwandelten Dämons auf – und verliebte sich in diesen.
In Genzabar angekommen, muss sie dem Kaiser nur noch die Truhe mit den verlangten Sprüchen übergeben. Dann ist ihre brisante Aufgabe erfüllt.
Doch als Vargaz die edle Truhe öffnet, ist sie leer. Kurz darauf beginnt weiteres Morden. Erst wird ein Zwerg, ein Mitreisender Rheannes gemeuchelt, dann trifft es einen Soldaten und schließlich die kaiserliche Familie.
Um zu überleben, muss Rheanne die Verbrechen schnell aufklären. Doch bei ihren Ermittlungen sticht sie in ein wahrhaftiges Wespennest aus Intrigen, Gewalt und Verrat.
Mut zu heiklen Themen
Fantasy und Krimi – funktioniert diese Kombination überhaupt? Nun, es gibt Beispiele für gelungene Synthesen, wie die „Peter Grant“ Reihe von Ben Aaronovitch, oder die „Irene Winter“ Reihe von Genevieve Cogman. Unter deutschen Buchveröffentlichungen sind diese eher rar gesät und schon ein wenig älter, wie zum Beispiel die wunderbare I.A.I.T.-Serie von Schumacher und Lossau.
Letztes Jahr hat die bis dato eher weniger bekannte deutsche Autorin Anne Troja einen neuen Versuch vorgelegt. Und mit „Rheanne – An Bord der Adlerschwinge“ einen kurzweilig zu lesenden Plot um einen Mord auf hoher See und der Suche nach dem Täter vorgelegt. Nun, ein Jahr später, folgen wir den Figuren in ihr zweites Abenteuer.
Nachdem im ersten Teil als Handlungsort der beschränkte Raum eines Segelschiffes diente, schwelgt die Autorin dieses Mal in der Beschreibung eines gigantischen, prunkvollen Palasts. Dennoch nutzt sie diese malerische Kulisse nur begrenzt. Zu sehr stehen in dem wohltuend kurzen Roman die Erforschung von Hintergründen und die Suche nach dem oder den Täter(n) im Mittelpunkt.
In „Mord am Kaiserhof“ erwarten den Leser Figuren, die schnell und mühelos zugeordnet werden können. Hier die Unsympathen, die Verbrecher und skrupellosen Despoten, dort die unschuldigen Opfer. Nur, dass es dann doch nicht ganz so einfach ist, wie man es zu Beginn des Romans annimmt. Mehr wird der Spannung wegen nicht verraten.
Anne Troja hat dabei, wohl verborgen zwischen den Zeilen ihres Romans platziert, ein schwieriges Thema angepackt: Selbstbestimmung und der Missbrauch wirtschaftlich Abhängiger. Die Tatsache, dass Mächtige oftmals meinen, mit allem davonkommen zu können, ist nicht erst seit der #MeToo Bewegung bekannt. Auch im Fantasy-Umfeld, gerade in einer archaischen Umgebung, wirken diese Missbräuche glaubhaft. Man empfindet Mitleid mit den Opfern, die sich nicht wehren können. Die in der Geschichte geschilderten Schicksale rühren und sorgen gleichzeitig für Dramatik.
Dass unsere Erzählerin die Verbrechen letztlich lösen wird, war schon am Anfang klar. Wie sie ihr Ziel erreicht, ist das eigentlich Interessante. Die Auflösung selbst ist in sich logisch, obwohl die Verfasserin gegen Ende ein wenig zu schnell vorgeht.
Insgesamt gesehen ist „Mord am Kaiserhof“ ein Roman, der Krimimotive geschickt mit der Beschreibung einer archaischen Fantasywelt verknüpft. Dabei richtet die Geschichte ihr Augenmerk mutig auf brisante Themen wie Missbrauch und hält die Möglichkeit für Fortsetzungen offen.
Carsten Kuhr
Rheanne-Serie, Band 2
Fantasy
Blanvalet Verlag
Februar 2020
316
Funtastik-Faktor: 72