Ritter, Nomaden und Dämonen ziehen in die Schlacht
Daniela Knor ist, wie viele ihrer deutschen Kollegen, als Autorin für das Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ bekannt geworden. Mit „Nachtreiter“ legte sie 2008 den Auftakt der „Elbensang“-Reihe vor, für den sie schon als Schülerin die Welt und die Historie erschaffen hat. Die High-Fantasy Reihe war als Trilogie geplant, wurde aber bis heute nicht vollendet. Die Autorin machte in einem Interview mit Literatopia den Fans der Reihe jedoch Hoffnung, dass sie das Finale noch schreiben und veröffentlichen wird.
Dunkelheit über der Steppe Phykadoniens
Braninn ist Phykadonier, ein Häuptlingssohn vom Stamm der Faitalorrem, deren Totemtier das Pferd ist. Das Nomadenvolk zieht mit Rindern durch einen Teil der Steppe Phykadoniens. Eines Morgens geht hier die Sonne nicht auf. In der Dunkelheit erscheinen Geister, die Kälte verströmen und alles Leben in sich einsaugen. Die Faitalorrem und andere betroffene Stämme beschließen, sich ihre Lebensgrundlage Land von den Eisenmännern in Sarmyn zu erkämpfen, obwohl sie kaum Chancen auf Erfolg haben. Der religiöse Führer des Büffel-Stammes behauptet jedoch, dass der oberste Heerführer Ertann genau diese Reaktion provozieren wollte, als er Dämonen beschwor und den ewigen Schatten erschuf.
Fürst Megars Orakel prophezeite, das König Werodin und dessen Sohn Prinz Joromar bald sterben werden. Seinen Sohn Regin möchte er zum nächsten König von Sarmyn machen, indem er ihn mit der Königstochter Prinzessin Beveré verheiratet. Der Fürst ist nicht der einzige, der dieses Ziel verfolgt. Ein Zauberer erscheint dem jungen Mann im Traum und führt ihn zu einer magisch verriegelten Tür. Regin hält Magie für ein Märchen der Bauern, spürt aber eine geheimnisvolle Macht, die ihn zu lenken scheint.
„Das ist es, was Dich zum König machen wird“
Der Zauberer unterbreitet einen tollkühnen Plan, der Regin zur Krone verhelfen soll. Und er beschert ihm seltsame Begleiter: Den einfachen Ritter Arion, den Söldner Rodin, zwei Phykadonier und eine Halbdämonin.
Das Abenteuer startet mit Verzögerung …
Die kurzen Kapitel und die häufig wechselnden Erzählperspektiven erinnern an den „Das Lied von Eis und Feuer“-Zyklus von George R. R. Martin. Auch in „Nachtreiter“ verfehlt diese Einteilung ihre Wirkung nicht. Der Leser erlebt das Geschehen aus einer eingeschränkten Perspektive, was viel Spannung erzeugt. Interessante Einsichten erhält man, wenn Teile derselben Handlung aus der Sicht eines anderen Protagonisten erzählt werden. Daniela Knor prägt die Kapitel mit den Charakterzügen des jeweiligen Erzählers, was einen persönlichen Bezug herstellt und die Figuren lebendig wirken lässt.
Zu den Pluspunkten des Romans zählen auch sorgfältig gewählte und gekonnt eingesetzte sprachliche Mittel. Die Autorin beschreibt die Szenen in Sarmyn in gehoben klingendem Deutsch und verleiht den Phykadoniern eine eher bildhafte Ausdrucksweise. Diese sprachlichen Nuancen untermalen die Lebensweise der Völker und erzeugen die passende Atmosphäre.
Es fällt jedoch zu Anfang schwer, in die Geschichte hinein zu finden, da die Kapitel sehr kurz, oft nicht einmal zehn Seiten lang, gehalten sind. Die häufigen Schauplatzwechsel erschweren das Eintauchen in die fremdartige Welt. Daniela Knor baut Nebenschauplätze auf, die immer wieder von der eigentlichen Story weg führen. Den Werdegang von Arions Schwester Sava zur Priesterin und Regins unglückselige Affäre mit dem Mädchen Saminé sind wichtig für die Positionierung der Charaktere. Straffer erzählt, hätten diese Sidestories ebenfalls ihren Zweck erfüllt, aber den Aufbau der Kernhandlung nicht so lange verzögert. Bis zur Mitte des Romans hat man das Gefühl, sich in der Einleitung zu befinden, jedoch wird Geduld hier belohnt.
…und fasziniert umso mehr in der zweiten Hälfte
„Nachtreiter“ spielt in zwei vollkommen unterschiedlichen Welten, die Daniela Knor mit einer typischen Landschaft, sowie eigener Sprache und Kultur ausgestaltet hat. Die Kultur der Phykadonier ist ein wenig der der Indianer nachempfunden. Jeder Stamm identifiziert sich mit einem Totemtier und ihre Anführer nennen sich Häuptlinge. Die Kismegla, die den Medizinmännern ähneln, treten mit Geistern in Verbindung und fungieren als geistige Führer.
Sarmyn ist eine Welt des mittelalterlichen Feudalsystems, mit klassischer Ständeordnung aus Bauern, Adeligen und dem König an der Spitze. Religion und Magie sind hier verpönt und doch bestimmen übernatürliche Kräfte das Geschehen. Angeführt von einer Halbdämonin, macht sich eine Allianz aus Phykadoniern und Sarmynern auf den Weg, um den Dämonenbeschwörer zu stoppen. Es klirrt der Kriegslärm und mysteriöses Grauen wabert wie Nebel über das Schlachtfeld. Furcht erregende Geister und Rieseninsekten stellen sich den Helden entgegen, die unerwartet Schützenhilfe von einer Dienerin der Göttin und einem halbwüchsigen Volk erhalten.
„Nachtreiter“ hat alle Qualitäten zeitgenössischer High-Fantasy-Literatur zu bieten und entwickelt sich zum echten Leseerlebnis. Das dramatische Ende schließt die Queste ab und enthält zugleich einen Fingerzeig auf einen größeren Konflikt. Der Roman überrascht und begeistert, besonders wenn man berücksichtigt, dass er erst der Beginn weiterer Reisen in die Welt der Phykadonier und Sarmyner ist.
Diese Rezension von mir, Eva Bergschneider, erschien bereits auf www.phantastik-couch.de
Elbensang-Reihe
Fantasy
Piper
2008
474
Funtastik-Faktor: 74