Dem originellen Start der neuen Serie folgt ein Durchhänger
Inzwischen kennt ihr mich ja, Al MacBharrais der Name, von Beruf Inhaber einer Druckerei in Glasgow, Schottland. Darüber hinaus Liebhaber edler Spirituosen und bereit für den Ruhestand. Die Knochen machen nicht mehr so mit. Vielleicht, so ihr auch zu den älteren Herrschaften gehört, wisst ihr was ich meine. Nur, ein Nachfolger, selbstverständlich kommt auch eine Nachfolgerin in Frage, ist nicht wirklich in Sicht.
Warum? Handwerk hat doch goldenen Boden und so…. Nun, ich bin nicht nur Drucker, sondern kümmere mich auch im Auftrag der Feen, Götter und sonstiger zauberkräftiger Wesen darum, dass Menschen und Übernatürliche streng getrennt bleiben. Stellt Euch nur einmal ein Bild von Odin, Zeus oder BRIGHID in der Zeitung vor. Nicht auszudenken, welchen Machtzuwachs die entsprechende Gottheit hätte und was sie mit eben dieser Macht alles anstellen würde. Um dies zu verhindern, gibt es uns: Fünf Siegelmagier, die dafür sorgen, dass nur erlaubte Besuche der Götter auf Erden passieren. Und diese unterhalb des Radars von Film und Fernsehen und was es sonst noch so alles gibt bleiben.
Zurück zum Nachwuchs – der mir seit einigen Jahren immer wieder aus dem Lehrverhältnis schlüpft. Doch nicht so harmlos wie ihr meint. Dank einem von zwei Flüchen, die auf mir liegen, sterben sie einen Unfalltod.
Ich will, ich muss mich um diese Flüche kümmern. Doch dann werden wir, mein Hobgoblin, meine Buchhalterin und ich, nach Down Under gerufen. Die dortige Siegelwächterin und ihr Pendant in Asien sind verschwunden.
Die Spur führt in eine Gegend, die für ihre wunderbaren Wanderwege bekannt ist. Ich ahne, dass wir Unterstützung brauchen. Glück im Unglück ist, dass ein Druide, früher als der Eiserne Druide bekannt, gerade in Australien weilt und zusammen mit seinen beiden Hunden zu Hilfe eilt. Denn uns erwarten sensationelle Offenbarungen, jede Menge tödlicher Fallen, gewaltbereiter Dämonen und Kämpfe bis zu Abwinken. Und das in meinem Alter …
Austauschbare Kulisse und Verdrängen des Protagonisten
Welch schöne Überraschung. Kevin Hearne ließ seiner bekannten Serie „Die Chronik des Eisernen Druiden“ eine neue Reihe in derselben Welt mit dem Serientitel „Die Chronik des Siegelmagiers“ nachfolgen. Neue Figuren wurden eingeführt, Grundzüge der Serie beschrieben, die neuen Schauplätze, vornehmlich in Schottland, vorgestellt. Der erste Band „Tinte & Siegel“ diente weitgehend dem Vorbereiten eines Fundaments, auf dem die weitere Handlung um den Siegelmagier aufsetzen sollte.
Entsprechend erwartete ich im zweiten Teil, dass Hearne uns mehr als im ersten Band von unserem neuen Handlungsträgern erzählen und vielleicht weitere Begleiter etablieren würde. Schließlich ist Al ein sehr interessanter Charakter, leidet er doch unter ähnlichen Folgen des Alterns, wie ich. Ein Unikum, kantig, geschlagen, von Flüchen verfolgt. Aber eben auch mutig, dickköpfig und aktiv. Ein Protagonist also, der uns in die Handlung zieht.
In „Papier & Blut“ gesellt sich ein neues Setting dazu – es geht nach Down Under. Doch anstatt uns nun stimmig von Australien, seinen Einwohnern und Schönheiten zu berichten, bleibt die Beschreibung doch sehr oberflächlich. Der Verfasser erzählt im kurzen Nachwort, dass sein Plan, Australien zur Recherche zu bereisen aufgrund von Covid-19 nicht machbar war. Stattdessen habe er sich von Einheimischen und Videos instruieren und inspirieren lassen. Nun, sagen wir so: lediglich der spezielle Kaffee und das dort gebraute Bier kommen wirklich überzeugend herüber. Der Rest des Schauplatzes bietet eine austauschbare Kulisse.
Und dann kommt der große, unerwartete und überflüssige Aha-Effekt: Atticus ist zurück! Nicht, dass ich etwas gegen den Eisernen Druiden hätte. Nur ist dessen Geschichte abschließend erzählt. Eine Stippvisite, wie in „Tinte & Siegel“ wäre ja noch verständlich gewesen. Aber in diesem zweiten Band rückt er mehr und mehr ins Zentrum des Geschehens und drängt unseren eigentlichen Protagonisten ins Abseits. Der Plot wandelt sich zu einem Atticus-Plot. Der Druide, dessen Begleiter und sein Konflikt mit den Göttern stehen im Mittelpunkt. Al ist leider kaum mehr als schmückendes Beiwerk.
Dabei gibt es in der Serie weitere interessante und bereits eingeführte Figuren. Insbesondere die Buchhalterin Als, Nadia, erweist sich als geniale Schöpfung. Hier wünsche ich mir vom Autor, dass er uns in den nächsten Bänden weit mehr noch über sie erzählt und die taffe Frau entscheidend eingreifen lässt. Doch in „Papier & Blut“ bleibt sie blass.
Es gibt natürlich Höhepunkte. Hearne ist versierter Autor, insbesondere was das Einführen neuer Figuren betrifft. Doch der Crew fehlt der schottische Querkopf im Fahrersitz. Erschwerend kommt hinzu, dass der Roman im letzten Drittel den Lesenden wenig mehr als eine einzige Metzelei unserer Helden gegen die Dämonen anbietet. Action ist gut und notwendig, aber die Kämpfe wiederholen sich zu oft, die Siege wirken schal.
Fazit
So ist „Papier & Blut“ ein Buch, das zwar solide unterhält, dem aber das Besondere abgeht. Der neue Serienprotagonist geht ein wenig beschädigt aus diesem Band hervor und ein Storyschwerpunkt, mehr auf Al zugeschnitten, hätte der Geschichte gutgetan.
Carsten Kuhr
Die Chronik des Siegelmagiers, Band 2
Fantasy (Urban)
Hobbit Presse
Februar 2022
Buch
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Sarah J. Coleman
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