Wölfe wie wir (Nordblut, Bd 1) – Mira Valentin

Drei Morde, drei Männer und ihre Familien

Wölfe wie wir © Mira Valentin
Wölfe wie wir © Mira Valentin

Jorunn, acht Jahre jung, hört die qualvollen Schreie ihrer Mutter, deren Wehen nicht enden wollen. Aus dem Haus kommt ihr Vater Sven mit einem blutigen Messer und einem Neugeborenen, den Jorunn im tiefen Wald den Göttern opfern soll.

Erik der Rote schickt seinen ältesten Sohn Leif auf den Weg, von Sven die Bettpfosten zurückzufordern, die er allerdings im Spiel gegen ihn verloren hatte. Erik liebt die Sklavin Brida, die ihm seine Lieblingstochter Freydis geboren hat. Brida kommt durch seine Schuld im Meer zu Tode.

Der Kaufmann Bjarni hat Island verlassen und lebt in Haithabu. Seine Tochter Alva wurde verbannt. Sie ist ein Wechselbalg und trägt eine Schwarzalbin in sich. Als Alvas Schutzamulett zerstört wird, kommt die dunkle Seite zum Vorschein und ein zu neugieriger Zeuge stirbt.

Das Spiel der Götter hat begonnen. Die drei Mörder müssen neun Jahre lang schwierige Prüfungen überstehen. Odin schickt Svens Familie seine Wölfe, Sleipnir und die Walküre Herja zu ihrer Unterstützung. Frigg wählt den dunklen Krieger Halftan aus, um Alva und Bjarni zur Seite zu stehen, und Loki ist Erik zugeneigt.

Der erste Band des Nordblut-Vierteilers spielt hauptsächlich in Island im 10. Jahrhundert, als die ersten christlichen Missionare dort unterwegs waren.

Von Erik dem Roten und seinen Nachbarn

Schon diese kurze Zusammenfassung hat es in sich und zeigt nur im Ansatz, welches Epos aus dieser Konstellation entstehen wird. Gerade in Band 1 erzählen die Kinder die Geschichte. Jorunn muss sich um den Säugling kümmern, den die Götter als Opfer verschmäht haben, und ist damit völlig überfordert. Erik der Rote verabscheut seinen Sohn Leif, weil der als Seefahrersohn jegliche Fahrt kotzend über der Reling verbringt. Ständig schikaniert und schlägt er ihn, um ihn zum Mann zu machen. Dabei ist Leif der Klügste von allen, doch das zählt für Erik nicht. Alva ringt mit ihrer dunklen Seite, bis die Schwarzalbin fordert, nach Island zurückzukehren. Der Krieger Halftan ist ihr unheimlich. Alle Protagonisten sind als starke Charaktere angelegt. In Island entbrennt ein Streit um die begehrten Baumstämme, die Bjarni mitbringt.

Ganz großes Kino zwischen Liebe und Hass

Die drei Väter könnten unterschiedlicher nicht sein, und Valentin stellt sie durch die Augen ihrer Kinder dar. Das sind gelungene Beispiele für »show, don’t tell«. An ihren Handlungen sollt ihr sie messen. Drei Familien gegeneinander, das könnte klare Fronten bedeuten. Könnte. Denn die Kinder Jorunn und Leif sind einander wohlgesonnen und Spielgefährten. Alle Parteien versuchen, Bjarnis Gunst zu erlangen, um die seltenen Baumstämme zu bekommen. So kreuzen und ergänzen sich die drei Erzählstränge, um sich zu nähern und wieder auseinanderzudriften. Das ist ganz großes Kino.

Der Leser/Hörer hat die karge Landschaft vor Augen, den Ständer mit dem Dörrfisch am Strand, der von einem kleinen Hund bewacht wird, fühlt die Sehnsucht der Seefahrer, endlich wieder auf Wiking zu gehen und die Verzweiflung Jorunns über den Säugling, der nicht aufhört zu schreien.
Großen Anteil daran, dass das Hörbuch diese Welt erlebbar macht, hat Sprecher Richard Barenberg, der mit seiner Interpretation der Geschichte überzeugt.

Tief in der nordischen Sagenwelt und Historie

Die Autorin ist tief in die mittelalterlich-nordische Geschichte eingetaucht und ebenso in deren Sagenwelt. Geschickt verknüpft sie beides miteinander.
Dass sie ausgezeichnet schreiben kann, beweisen nicht nur die Preise, die sie mittlerweile verliehen bekommen hat. Sie gewann 2017 den Kindle Storyteller Award für »Der Mitreiser und die Überfliegerin«, war für den Skoutz-Award und den Deutschen Phantastik Preis nominiert und ihre vierteilige Serie »Enyador« wird von Lesern und Fachleuten hoch gelobt. Mit Erik Kellen gemeinsam schrieb sie »Windherz« und gewann dafür den »Seraph« 2020 als bester Independent Titel.

Als Mitglied der Weltenbauer3 – mit Sam Feuerbach (DPP-Gewinner 2018) und Greg Walters (Kindle-Storyteller Award-Gewinner 2019) – ist sie in einem sich gegenseitig bereichernden Team. In der Öffentlichkeit zeigt sie sich stets in historischer Gewandung oder einem Cosplay-Kostüm und schlüpft so in die Haut eines ihrer Protagonisten oder in die Protagonisten befreundeter Autoren.

Auf ihrer Homepage gibt es einen aussagekräftigen Trailer, den sich alle anschauen können, die jetzt noch nicht überzeugt sind. Die Nordblut-Saga ist für die Liebhaber von Epen und ein Genuss für alle, die gut erzählte Geschichten mögen. Nichts für zarte Nerven.

Amandara M. Schulzke

PS: Ich bin mit Band zwei »Das Spiel der Götter« leider schon durch. Alles, was in Band 1 noch leicht und übersichtlich schien, ist es garantiert in Band zwei nicht mehr. Die Spannung steigt rasant.

Triggerwarnung: enthält Gewalt und Gemeinheit. Suchtgefahr.

Wölfe wie wir
Nordblut-Saga, Band 1
Mira Valentin (Hörbuchsprecher: Richard Barenberg)
Fantasy (Historisch)
Books on demand / Audible Studios
Februar 2020 Seiten: 376
Buch/Hörbuch
376
Alexander Kopainsky
90

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