Ein aussichtslos scheinender Kampf
Überall auf der Welt gewinnt KAMI die Oberhand. Immer mehr Mojas besiedeln Städte, die die militärischen Führer Alaska und Liza mit Bomben dem Erdboden gleichmachen. Immer weniger Menschen verbleiben und die sind auf der Flucht in die wenigen Gebiete, die KAMI noch nicht durchseucht hat.
Die Gruppe um Flover, Luke, und Andra pausiert in einer der Wucherstädte nahe Moskau, denn Byth muss den schwer beschädigten Okijen stabilisieren. Marshall hat die Führung übernommen und Liza und Alaska ihrer Ämter enthoben. Im Feld spricht das Militär unbürokratisch Beförderungen aus und so erhebt man selbst eine Zivilistin wie Andra in den Rang des Captains. Doch die hat andere Pläne. Sie erhält die Erlaubnis, in ihr zerstörtes Heimatdorf zurückzukehren und ein vergessenes Geheimnis aus ihrer Vergangenheit wieder ins Bewusstsein zu holen. Was sie dort findet, ist eine Lebenslüge. Und einmal mehr Shiva.
Das Militär versucht, durch mobile Cybertrip Spots so viele Menschen wie möglich zu evakuieren. Und gerät dabei wiederholt in Kämpfe gegen die Moja. Parallel dazu plant man den finalen Vernichtungsschlag gegen KAMI. Mit Byth‘ besonderen Fähigkeiten glaubt man, das wirksame Mittel gefunden zu haben. Die Lage spitzt sich zu und die Zeit läuft davon.
Okijen und Andra finden und verlieren sich gleich wieder. Denn die Yuna ist nun entschlossen, eine friedliche Lösung durchzusetzen. Wofür sie von Marshall in eine Zelle gesteckt wird.
Hat die Menschheit noch eine Chance? Und hat sie diese überhaupt verdient?
»Marshall atmete einige Male ein und aus, bevor sie das Wort erhob. „Du willst Dich wirklich gegen meinen Befehl stellen?“
„Ja.“ Andra zog die Stirn in Falten. „Ich will Dich nicht vor den Kopf stoßen, und ich respektiere dich sehr. Aber ich bin mir sicher, dass mein Weg der richtige ist. Und ich werde mich nicht davon abbringen lassen, ihn zu gehen.“ « [Seite 253]
Endlich Hoffnung auf Vernunft
„Beta Hearts“ schließt direkt an das dramatische Ende von „Cyber Trips“ an und beschleunigt das Erzähltempo zunächst. Es gibt viel zu tun, um zu überleben. Doch es wird immer klarer, dass der eingeschlagene Weg nicht funktionieren kann.
Es sind gleich mehrere Protagonisten, die diese Richtungsänderung einleiten. Allen voran Andra, die endlich durchzusetzen versucht, was sie schon lange plant: eine friedliche Lösung des Konflikts mit KAMI. Äußerst dramatisch verläuft in „Beta Hearts“ die endlich aufkeimende Lovestory zwischen der Yuna und dem Supersoldaten. Erst Liebe, dann ein scheinbar unüberwindbarer Konflikt. Flover und Lukes Erfahrungen mit KAMI ändern deren Standpunkte und leiten die Wende mit ein. Wir erfahren interessante und erhellende Details aus Flovers Kindheit und dem Leiden seiner Mutter. Auch Flover und Luke finden einander, eine sehr schöne Liebesgeschichte in all dem düsteren Chaos. An Okijens Stelle, den die Autorin glaubwürdig und mutig aus dem Zentrum des Geschehens nimmt, positionieren sich Ellis auf der einen, und Byth auf der anderen Seite.
Der Spannungshöhepunkt der gesamten Trilogie ist hier erreicht und ein echtes Highlight, perfekt inszeniert.
Spannende Trilogie mit klugen Gedanken über das Menschsein
Für das Finale zauberte Marie Grasshoff eine Wendung hervor, die die bereits eingeschlagene Richtungsänderung auf plausible Weise unterstützt. Denn dieses nun zerfallene Utopia beruhte auf einer Diktatur, die die meisten Menschen allerdings nicht als solche wahrnahmen. Spätestens hier wird klar, warum die Autorin ihrem Setting ein überwiegend asiatisches Gesicht verlieh. Trotzdem wirkt diese Wendung wie ein ‚Deus ex machina‘. Einfach weil sie aus dem Nichts den Protagonisten auf der Zielgeraden vor die Füße fällt. Dazu kommen weitere glückliche Zufälle, die das Geschehen in die gewünschte Richtung lenken.
Insgesamt zählt die Solarpunk/Cyberpunk Buchreihe „Neon Birds“ jedoch zum innovativsten Lesestoff, den ich im Jahr 2020 genießen durfte. Marie Grasshoff entzaubert eine Welt, die fast ideal erscheint, wenn man von der Gefahr durch KAMI und den Mojas absieht. Dabei gehen die Menschen blind auf hochwertige Technik und effiziente Organisation vertrauend in ein Verderben, das sie selbst verursacht und zu verantworten haben. Die Analogie zum Klimawandel und der weltweiten Stagnation in der Notwendigkeit, unseren Lebenswandel in Einklang mit der Natur unseres Heimatplaneten zu bringen, ist nicht zu übersehen.
Eva Bergschneider
Neon Birds, Band 3
Cyberpunk (Solarpunk)
Lübbe
September 2020
512
Massimo Peter-Bille (Cover), Mona Finden (Illustrationen im Buch)
80
Hallo liebe Eva,
coole Geschichte..habe schon den 1.Band gelesen.
LG..bleib gesund..Karin..