Das Silmarillion – J.R.R. Tolkien

Die mythologische Grundfeste für Mittelerde

Das Silmarillion - J.R.R. Tolkien© Klett-Cotta
Das Silmarillion © Klett-Cotta

J.R.R. Tolkiens Werk „Das Silmarillion“ geht zurück auf eine Skizze aus dem Jahr 1925, jedoch lassen sich einzelne Bausteine bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges nachweisen. Tolkien konnte das Werk nicht bis zu seinem Tod im Jahr 1973 beenden. Sein Sohn Christopher hat es aus dem Nachlass im Jahr 1992 bei HarperCollins erstveröffentlicht. In einem im Buch teilabgedruckten Brief von 1951 an den Lektor Milton Waldman schreibt Tolkien, das Konzept des Silmarillion sei die Entwicklung einer Mythologie für England, die der griechischen, keltischen, romanischen, germanischen, skandinavischen und finnischen – hier besonders der Kalevala – vergleichbar sei.

„Das Silmarillion“ gehört mit einigen anderen Arbeiten Tolkiens zu dem unvollständigen Narrativ, welches die Anfänge der Zeit des Universums beschreibt, in dem „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ angesiedelt sind.
Es ist eine komplexe Arbeit, die aus alten Mythen schöpft, der mythologische Unterbau der beiden wichtigsten und bekanntesten Tolkien-Texte, ein Buch, das den Lesern einiges abverlangt und stilistisch mit „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ wenig gemeinsam hat. Das Werk basiert auf dem sehr umfangreichen Materialbestand von „The History of Middle-Earth“, woraus Christopher Tolkien u.a. „Die Kinder Húrins“ und „Beren und Lúthien“ veröffentlicht hat.
„Das Silmarillion“ besteht aus fünf Teilen: „Ainulindale“, „Valaquenta“, „Quenta Silmarillion“, „Akallabêth“ und „Von den Ringen der Macht und dem Dritten Zeitalter“.

Am Anfang – Beginn der Schöpfung

„Ainulindale“ erzählt von der Erschaffung Ardas (der Erde) und des Göttergeschlechts der Ainur durch den Schöpfer Eru, von den Elben Ilúvatar, Vater des Alls, genannt. Arda wird später von den Elben, Menschen, Zwergen, Orks und anderem Leben bevölkert.
„Valaquenta“ vertieft die Geschichte der Götter, die in die Welt kommen und ihr Gestalt verleihen. Sie unterscheiden sich in die göttlichen Valar und die halb-göttlichen Maiar. Zu den Maiar gehören die aus „Der Herr der Ringe bekannten“ Sauron, Saruman, Gandalf und Tom Bombadil.

Quenta Silmarillion – Geschichtsbücher

Der Teil „Quenta Silmarillion“ enthält 24 Kapitel und ist erheblich umfangreicher als der Rest des Buches. Der Titel ist – in der englischsprachigen Ausgabe – als einziger kursiviert, und es deutet sich darin vielleicht eine Sonderstellung an. Die Schöpfungsgeschichte geht hier über in Geschichtsbücher.
„Quenta Silmarillion“ erzählt über die Entstehung des Bösen und die Ankunft, das Erwachen der Elben, Zwerge und Menschen, sowie die Geschichte der drei Silmaril genannten Juwelen voller Energie und Licht, geschaffen von Feanor, Sohn des Königs der Noldor.
Melkor, der anfangs mächtigste der Ainur und Ursprung des Bösen in der Welt, bringt im Verbund mit Ungolianth, die in Gestalt einer unersättlichen, gigantischen Spinne die Bäume abtötet und ihnen das Licht nimmt, Dunkelheit über die Welt. Melkor raubt die Silmaril, Feanor nennt ihn nach dieser Tat Morgoth. Die Dunkelheit kann nur beseitigt werden durch das Licht, das in den Silmaril geborgen ist. In einem großen Krieg wollen die Elben die Steine zurückgewinnen.
„Quenta Silmarillion“ enthält auch Fantasy-Romanzen, in deren Mittelpunkt stehen Maeglin, Beren und Lúthien sowie Túrin.

Wechselnde Protagonisten in verbundenen Geschichten

„Akallabêth“ erzählt die an den Mythos von Atlantis erinnernde Geschichte Númenors. Die letzte Geschichte ist „Von den Ringen der Macht und dem Dritten Zeitalter“. In ihr wird vom Königreich der Menschen berichtet. Sie lässt sich inhaltlich als Vorstufe zu „Der Herr der Ringe“ verstehen.

„Das Silmarillion“ bietet keine ausdifferenzierten Charaktere, denen man durch eine fortlaufende Handlung folgen könnte. Erzählt wird eine große Anzahl von Geschichten mit wechselnden Akteuren. Die einzelnen Geschichten sind jedoch miteinander verbunden. Für die meisten Charaktere gibt es verschiedene Namen. Nicht nur deshalb ist das am Ende befindliche Glossar hilfreich. Die Texte lesen sich recht trocken und weisen keine erzählerische Dramaturgie oder Spannungsbögen auf. Sie sind im Grunde nicht auf alltägliche Weise zu lesen, sondern müssen, um verstanden zu werden, erarbeitet werden.

Bezüge zum Christentum

„Das Silmarillion“ weist eine Vielzahl christlicher Bezüge auf. Formale Ähnlichkeiten ergeben sich durch die Schöpfungsgeschichte und die Geschichtsbücher. Am Anfang gibt es einen Gott Ilúvatar, der die Welt erschafft. Die Ainur sind himmlischen Wesen, Engeln vergleichbar, Morgoth kommt dabei die Rolle des gefallenen Engels zu. Es entwickelt sich ein Kampf zwischen Licht und Dunkelheit, Wahrheit und Lüge, Gut und Böse. Jede Abwendung von Gott und Hinwendung zu Morgoth oder Sauron geschieht zum Schaden der Menschen wie auch der Elben. Die Geschichte Númenors, der großen Flut und der wenigen Überlebenden, ähnelt nicht nur dem Mythos von Atlantis, sondern auch der biblischen Erzählung über die Sintflut.

Luxusausgabe zum 40-jährigen Jubiläum

Zum 40-jährigen Jubiläum ist bei Klett Cotta in der Hobbit-Presse passend zu den Lederausgaben von „Der Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“, eine in blaues Leder gebundene Luxusausgabe des Buchs erschienen. Die Ausgabe umfasst 7777 Exemplare und wird im Schuber ausgeliefert. Sie hat 578 Seiten und ist ausgestattet mit zwei Lesebändchen, einer zweifarbigen Karte von Beleriand und den Nordländern sowie einer ebenfalls zweifarbigen Karte der Reiche Noldor und Sindar, enthält Tolkiens Gemälde der Hallen Manwes bzw. Taniquetils als farbiges Frontispiz und das Wappen von Lúthien Tinúviel. Der Text stimmt überein mit den anderen Ausgaben und wurde übersetzt von Wolfgang Krege. Die hier vorgestellte gebundene Fassung enthält 589 Seiten, Vorsatzkarten und 45 illustrierte Farbtafeln von Ted Nasmith. In der broschierten Ausgabe mit 558 Seiten sind die Abbildungen Nasmiths nicht enthalten, das E-Book basiert auf dieser Ausgabe.

Fazit

„Das Silmarillion“ erzählt nicht eine durchgehende Abenteuergeschichte, wie sie aus Tolkiens Publikationen zu Lebzeiten bekannt sind. Es handelt sich im Grunde um eine umfangreiche Schöpfungsgeschichte von Mittelerde und ihren Lebewesen, von drei wertvollen mythischen Edelsteinen, deren Produktion, Raub und den Kriegen zu ihrer Wiedererlangung.
Es ist ein sehr spezielles und schönes Buch, an dem die einen Leser schnell das Interesse verlieren dürften, während die anderen es schätzen, weil es eine Art Altes Testament oder Gründungsdokument der Welt ist, in der sich viel später die Hobbits und andere bewegen. Man kann zwar „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ aus sich heraus verstehen. Aber so richtig in die Tiefe gelangen und das Fundament beider Erzählungen erschließen – dies ist nur mit dem Silmarillion möglich.

Eine Gastrezension von Almut Oetjen

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Das Silmarillion
J.R.R. Tolkien
Fantasy
Klett-Cotta
November 2016
589

Funtastik-Faktor: 85

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