Vier Rassen, vier Wächter, ein Hexer und eine verfeindete Welt
In alten Zeiten nahm der Hexenmeister, der in den Sturmbergen haust, jedem der vier Königssöhne seine wichtigste Gabe. Er verlieh jedem dafür eine, die es seinem Volk ermöglichte, über die anderen zu herrschen. So entstanden Drachen, von den Dämonen bezwungen; Elben, die hauptsächlich Drachen und die Hexer der Menschen fürchteten. Die Elben, die ihre Gefühle verkauft hatten, versklavten die Menschen, nachdem sie deren unsterblichen Hexenmeister und König Eliyah in den tiefsten Kerker gesperrt hatten. Dazu kam es, weil er dem Thronfolger die Ehefrau abspenstig gemacht hatte.
Burksmeade – ein Dorf der Menschen, aus dem sich jährlich die Elben die erstgeborenen Söhne holen, wenn sie 17 Jahre alt sind. Findelkinder wie Tristan sind äußerst beliebt, da sie die Rolle als Kindersoldaten annehmen. Doch dieses Mal suchen die Elben auch nach Magiebegabten. Fälschlicherweise verschleppen sie Agnes mit, die Ziehschwester Tristans. Ziehbruder und Hexer Kay mag mit dieser Schuld nicht leben und folgt den Geschwistern, um sie von den Elben zu befreien.
Alle müssen durch den Schattenwald, um das Feldlager zu erreichen. Tristan benimmt sich respektlos und die ersten großen Ereignisse nehmen ihren Lauf. Schnell kommen die Zwillinge Istariel und Isora ins Spiel, die Drachin Saphira und der Dämon Thul. Dieser Dämon war als Baby so wohlgestaltet, dass seine Eltern ihn nur mit Mühe vor dem Tod bewahren konnten. Vier werden gezeichnet und so zu den Wächtern Enyadors, die den Frieden wiederherstellen sollen.
Jede Menge phantastische Verwicklungen und originelle Figuren
Mira Valentin legt mit „Die Legende von Enyador“ den Grundstein für Verwicklungen, Missverständnisse, begründete und unbegründete Eifersucht, ungesunde Liebesbeziehungen, das Aufblühen alter Feindschaften, aber auch für dicke Freundschaften, neue Liebe und unzerbrechliche Loyalität. Sie hat dazu eine ganze Reihe von Protagonisten erschaffen. Jedem einzelnen gibt sie eine unverwechselbare Stimme. Lesende und Hörende können sie gut auseinanderhalten und einordnen, weil jeder Abschnitt mit der Figur beginnt, aus deren Sicht die Ereignisse erzählt werden. „Die Legende von Enyador“ und ihre drei Folgebände sind ein Meisterwerk der Plotstruktur. Die Autorin hat Nebenfiguren erschaffen, die wichtige Katalysatoren für die Handlung sind. Wie z.B. Gweilo, den Ziegenbock, der immer weiß, was richtig ist, vor Gefahren warnt und Kay, den Hexer, aus manch unglücklicher Lage befreit. Alle lieben Gweilo. Manche haben ihn zum Fressen gern.
Die Autorin hat eine in sich stimmige Welt geschaffen, die immer wieder gut für Überraschungen ist. Lesende und Hörende können sich darin fallen lassen und die ungeheuerlichen Schrecken mit durchleben und wieder daraus auftauchen. Sie schreibt flüssig, unterhaltsam, mit etwas Pathos und vor allem viel Gefühl. Die Romanzen, die sie ihren Heldinnen und Helden angedeihen lässt, sind gerade richtig ausgelotet, nicht zu viel und nicht zu wenig Kitsch und Sex. Besonders die Drachenfrauen sind cool!
Obwohl der erste Band einige Grausamkeiten und Gemeinheiten enthält, ist er noch relativ harmlos im Vergleich zu den drei Folgebänden. Spannend sind alle vier Bände. Allerdings werden langjährige High-Fantasy-Leser „Enyador“ an den ganz Großen messen und davon ist die Serie doch ein Stück weg. Für Anfänger und Leser, die sich gut unterhalten lassen wollen, jedoch goldrichtig.
Noch ein Wort zu dem Sprecher Robert Frank, dessen Glanzstück in dieser Tetralogie die Harpyien, Bewohner des Schattenwaldes, sind. Da wird die Milch im Kühlschrank sauer. Großartig!
Die Enyador-Saga, deren erster von vier Bänden 2017 erschien, ist ein gelungenes High-Fantasy-Epos aus deutscher Feder. Punkteabzug gibt es nur aus dem einzigen Grund, dass die „Nordblut-Saga“, deren erster Band 2020 erschien, noch besser ist, noch stringenter, noch eindrucksvoller, noch näher an den Figuren dran. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie sehr Autoren lernen und sich weiterentwickeln können.
Amandara M. Schulzke
Enyador-Saga, Band 1
Fantasy
BoD (Hörbuch: audible)
September 2017, Hörbuch: November 2018
Buch, Hörbuch
392 ( 9h, 52 min)
Alexander Kopainsky
85