Fünf faszinierende Frauen und ihre rasanten Abenteuer
Stellt euch einmal vor, Figuren, die ihr aus der Lektüre der romantischen Schauerliteratur der Viktorianischen Ära kennt wären keine Erfindung. Es hätte Holmes und Dr. Watson, Graf Dracula, Frankenstein oder Jeckyll / Hyde, Moreau und Van Helsing tatsächlich gegeben.
Was wäre wenn diese (abgesehen von Holmes und Irene Adler) Abkömmlinge – ich sage bewusst nicht Kinder – in die Welt gesetzt hätten? Wesen, die Dank der skrupellosen Forschungen und Experimente ihrer „Väter“, der sogenannten Biologischen Transmutation, weit mehr sind als nur Menschen. Genau hier setzt Goss in ihrer „Athena“- Trilogie an. Bezeichnenderweise sind die Testergebnisse alle weiblichen Geschlechts.
Nach einem fulminanten Start in „Der seltsame Fall der Alchimisten-Tochter“, in dem die findigen Damen Holmes bei der Aufklärung der Whitechapel Morde ausgestochen haben und den dunklen Umtrieben der Alchemisten-Gesellschaft auf die Spur kamen, erreicht sie dieses Mal ein Hilferuf. Die Tochter Van Helsings wird in einem Wiener Irrenhaus zusammen mit ihrer Mutter gefangen gehalten. Ihr Vater will sie in einen unsterblichen Vampir verwandeln. So brechen Mary Jekyll, ihre Schwester Diana, Beatrice Rappaccini, Catherine Moreau und Justine Frankenstein stante pede auf und bereisen den Kontinent. Ihr Weg führt sie über Paris nach Wien, dann schlussendlich nach Budapest, der Heimat der Alchemisten-Gesellschaft und deren Anführerin: der unsterblichen Alt-Ägypterin Ayesha.
Der Athena Club weitet den Blickwinkel
Im ersten Teil der Trilogie führte Theodora Goss ihre Figuren und den grundlegenden Konflikt ein. Wir lernten den „Athena Club“ kennen und bekamen erste Einblicke in die Schwierigkeiten, die insbesondere junge Frauen in der Ära hatten, sich selbst zu verwirklichen. Zudem wurden wir mit dem zu lösenden Fall rasant und packend unterhalten.
Nachdem wir nun unsere Hauptfiguren kennengelernt haben, erweiterte die Autorin sowohl ihren Kreis der handlungsrelevanten Figuren als auch ihren Blick auf die Welt deutlich. Mit unseren jungen Damen bereisen wir den Kontinent. Dort begegnen wir Siegmund Freud und Irene Adler, besuchen den großen Kongress der Société des Alchemistes, verlieben uns und erleben neue, rasant aufgezogene Abenteuer.
Dass dabei die Rollen nur auf den ersten Blick eindeutig verteilt sind, dass unsere Protagonistinnen immer wieder an sich zweifeln, in Gewissensnöte kommen, macht sie uns noch bewusster und trägt zur Glaubwürdigkeit bei. Hier hat jede Figur ihren Platz, wird nachvollziehbar weiterentwickelt und damit immer griffiger und interessanter.
Dabei ist der Roman ein klein wenig, wenn ich ehrlich bin, deutlich zu lang geraten. Immer wieder gibt es Szenen und Handlungsabzweigungen, die letztlich irrelevant sind, die im Sand verlaufen.
Die Einführung von neuen Figuren – gleich ob historisch real oder imaginativ – und eines sich immer deutlichen abzeichnenden, großen Konflikts ist gelungen. Letzterer findet seine Entsprechung in der moralischen Frage, was Wissenschaft darf und was nicht. Wie unsere Damen immer wieder an gesellschaftliche Grenzen stoßen und diese überwinden, macht einen Großteil des Unterhaltungswerts des Romans aus.
Fazit
So ist „Die wilde Jagd nach der monströsen Dame“ ein etwas zu ausführlich geratener Abenteuer-Schmöker. Es gelingt diesem die Zeit nachvollziehbar zu porträtieren, die in ihrer Geschlechterrolle gefangenen Figuren lebensecht zu zeichnen und mit jeder Menge spannender Ereignisse zu unterhalten.
Carsten Kuhr
Die außergewöhnlichen Abenteuer des Athena-Clubs, Band 2
Fantasy
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