Elfenbein & Sternenkinder -Im dunklen Herz von Araf – Ivan Ertlov

Elfenbein_SternenkinderIm dunklen Herz von Araf (Tanz des Klingensängers 3)© Ivan Ertlov
Elfenbein & Sternenkinder© Ivan Ertlov

Liebe, Tod & Spannung im postapokalyptischen Fantasy-Afrika

Da war er ganz allein: Im dritten (wenn man die Novelle „Halbar von Malan“ mitzählt eigentlich vierten) Abenteuer ist der Klingensänger erst einmal auf sich alleine gestellt. Und nicht unbedingt eine sympathische Erscheinung. Zwei Jahre sind seit dem Schluss von „Raue See & Reiche Beute“ vergangen, jenem Abschied, der den verfluchten Dämonenjäger Halbar in ein tiefes Loch stürzte. Tief genug, um zu Beginn von „Elfenbein & Sternenkinder“ als nur bedingt sympathischer, sich in Selbstmitleid suhlender Alkoholiker aufzutreten. Seine Freunde hat er längst vergrault, seine Fähigkeiten zum Teil eingebüßt, die Welt hat sich ohne ihn weitergedreht. Der Auftrag, für den er sich auf einem kleinen Handelsboot den Kongo hinaufschippern lässt, ist der Erste seit langer Zeit. Und wenn es nach Halbars Lebenswillen geht, sein letzter. Ertlov hat bereits in „Zwergenstahl & Drachenfeuer“ aus „Herz der Finsternis“ zitiert, hier dient es aber eindeutig als Inspiration zumindest des Anfangs.

Eine schöne Leich‘

Auch wenn Halbar zumindest ein Problem rasch überwindet, bleibt die Grundstimmung durchgehend düster: Zumb (Zombies) beherrschen das Gebiet nordöstlich von Kinshas(a). Seit der apokalyptischen Zeitenwende wird exakt ein Viertel der Kinder in der Region totgeboren, seit Monaten verschwinden Männer aus Dörfern und Städten spurlos. Letzteres ist nun Halbars Problem. Großfürstin Abawe heuert ihn an, um zumindest diesem Fluch ein Ende zu bereiten. Für Halbar ein Scheideweg, entweder zurück in sein Heldendasein, oder selbst einen würdigen Tod zu finden. Ganz klar: Er befindet sich an einem Abgrund, von dem er aus eigener Kraft nicht mehr zurückfindet. Aber glücklicherweise ist er dann doch nicht ganz alleine.

Afrofuturismus und harte Themen

Ivan Ertlov hat einen Hang zum Afrofuturismus, den er wie schon in der „Avatar“-Reihe und „Brennende Kolonie“ mit einer ordentlichen Portion Rassismus- und Kolonialismuskritik serviert. Die Ausbeutung der Rohstoffe und Bewohner Afrikas werden ebenso thematisiert, wie die einstigen Menschenschauen. Der Mythos des Ninki-Nanka in die postapokalyptische Fantasy getragen. Kinshas selbst zeichnet er als Leuchtfeuer von technologischem und menschlichem Fortschritt. Während die Alte Welt (Europa) sich langsam aus dem Spätmittelalter in die Renaissance vorkämpft, steht hier eine industrielle Revolution kurz vor dem Durchbruch, getragen von Dampfmaschinen, Windrädern und Sonnenergie. Ein Hauch von Steampunk liegt in der Luft. Das technische Wunderwerk von Yorricks Zeppelin lockt hier keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Generell zeigt Ertlov hier seine Liebe zu dichten Landschafts- und Kulturbeschreibungen sowie sorgfältige Recherche. Man kann in Kinshas versinken.

Mehr Story, mehr Spannung, weniger Klamauk

„Elfenbein & Sternenkinder“ ist auf allen Ebenen spannender, ernsthafter, storylastiger als die Vorgänger. War die eigentliche Geschichte in „Zwergenstahl & Drachenfeuer“ nur ein mühsam in Fahrt kommendes Vehikel, um die Welt und seine Helden vorzustellen. Und in „Raue See & Reiche Beute“ der rote Faden bestenfalls durch zahlreiche Kampfszenen und oft im Klamauk angesiedelte Gags. Hier geht es dagegen merklich reifer und erwachsener zur Sache. Der Handlungsstrang um die Untoten wird ebenso konsequent verfolgt, wie Halbars Auftrag der Vermisstensuche. Der Humor ist subtiler, intelligenter und besser in die mehr und mehr Spannung aufbauende Geschichte eingewebt. Die Enthüllungen und Entdeckungen sind logischer und schlüssiger. Der Roman würde auch gänzlich ohne Humor und adaptierte Lieder funktionieren. Ist aber auf jeden Fall besser mit.

Fazit:

Die lockere „ich nehme nichts und niemanden ernst“ Leichtigkeit der Vorgänger wurde hier geopfert, was eingefleischte Ertlov-Fans durchaus abschrecken kann. Freunde des typischen Brachial-Humors werden wahrscheinlich enttäuscht sein.
Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb ist „Elfenbein & Sternenkinder“ atmosphärisch und erzählerisch der bis jetzt beste Teil der Reihe. Vereinzelte humoristische Ausflüge auf hohem Niveau betten sich in eine durchgehend spannende Handlung ein, in der Themen wie Liebe und Tod, Freundschaft und die Fähigkeit zum Vergeben und Verzeihen eine große Rolle spielen. Zusammen mit den wie immer exzellent geschriebenen Kampfszenen ein gelungener Fantasy-Horror mit Steampunkanleihen, den sich Leserinnen und Leser dieser Genres nicht entgehen lassen sollten.

DANKE an Gastrezensentin Tamara Yùshān

Elfenbein & Sternenkinder - Im dunklen Herz von Araf
Der Tanz des Klingensängers, Band 3
Ivan Ertlov
(Dark) Fantasy
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Dezember 2020
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Romana Witschi
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