Raue See und fette Beute – Der Ruf des Wendigo (Klingensänger 2) – Ivan Ertlov

Solides Abenteuer mit vielen Sticheleien gegen den orangen König

Raue See und fette Beute-Der Ruf des Wendigo (Klingensänger 2)© Ivan Ertlov
Raue See und fette Beute-Der Ruf des Wendigo © Ivan Ertlov

Vier Abenteurer sind sie, vier Recken, die schon so manche Schlacht geschlagen und überlebt haben. Vier Kämpfer, die, so denn die Bezahlung stimmt, auch nicht vor den schlimmsten Gefahren zurückschrecken.

Doch auch ein Klingensänger, verflucht und dafür gezüchtet, Dämonen zu vernichten, dazu der gefürchtetste Waralog der Alten Welt, sowie ein zaubernder Albrae und Botschafterin Kyara, deren Blut die ungezügelte Magie mystischer Völker vereint, überlegen sich diesen Auftrag zweimal. Es geht darum jenseits des großen Ozeans den in Amarak entfesselten Wendigo zu bekämpfen. Allein das Gold, das die Auftraggeber über der Gruppe auszuschütten gedenken, so sie denn die Quest überleben, ist derartig obszön viel. Sie sind quasi gezwungen, die Reise über den Ozean anzutreten.

In dem Land, in dem früher der orange König geherrscht und den Fall über die Menschen gebracht hat, leben jetzt die wieder erstarkten ersten Nationen. Allerdings gibt es auch einige Überbleibsel der früheren Bewohner. Rotnacken die mit trumpen Lügen auf den Lippen zu einem Kreuzzug wider die ersten Nationen aufbrechen. Sie wollen Amarak wieder groß machen und laufen sehenden Auges direkt in den Weg des Wendigo.

In einem letzten, verzweifelten Gefecht gegen einen Dämon, der Freund und Feind gleichermaßen meuchelt, versuchen unsere Helden alles, um der Gefahr Herr zu werden. Auch wenn die Überlebenschancen wirklich hundsmiserabel sind.

Eine exotische Mischung

Ivan Ertlov, in Prag geboren, in Österreich aufgewachsen und mittlerweile in Down Under zu Hause, gehört zu den produktivsten deutschsprachigen Self-Publishern. Seine Buchserien – Military SF und Space Opera – brachten ihm eine treue Fanbasis ein, die sehnsüchtig auf Nachschub aus seiner Feder wartet.

Auch in „Raue See und fette Beute-Der Ruf des Wendigo“, dem zweiten Teil der „Klingensänger“-Reihe, präsentiert sich die Handlung als Mischung aus Dystopie und klassischer Fantasy. Den Leser erwartet eine eigentlich unmögliche Mischung, oder? Nun, auf der einen Seite haben wir bekannte Fantasy-Figuren: die elfenähnlichen Albrae, Zwerge die sich eine goldene Nase mit Waffen, inklusive Kanonen der modernsten Vorderladerart verdienen, Drachen und – (das ist relativ ungewohnt) Dämonen.

Dass uns diese Welt an unsere reale Umgebung erinnert, weist darauf hin, dass sich die Geschichten um den Klingensänger tatsächlich auf Erden ereignen. Nachdem etwas wirklich Schlimmes passiert ist. Der Fall, der einem orangen Herrscher zugewiesen wird, war dieses entscheidende Ereignis, das die Welt in ein vorindustrielles Zeitalter zurückgeschleudert und neue Rassen hervorgebracht hat.

Kritische und amüsante Seitenhiebe über den großen Teich

Nach dem Auftakt „Zwergenstahl und Drachenfeuer-Die Königin von Hamb“ führt der Autor seine wackeren Helden und uns auf einen anderen Kontinent. Dabei nutzt er seine Handlung, um auf herrschende Ungerechtigkeiten hinzuweisen und entsprechende Anspielungen einfließen zu lassen. So begegnen unseren Schiffsreisenden zahlreiche Flüchtlinge, die in nicht hochseetüchtigen Kähnen die lebensgefährliche Reise übers Meer angetreten haben. Dass sie nicht mit offenen Armen, sondern mit Kugeln empfangen, wieder auf das Meer und damit in den Tod hinausgeschleppt werden, erinnert frappierend an aktuelle Geschehnisse. Nicht nur im Mittelmeer.

Auch im Land der ersten Nationen, Amarak treffen wir manches Bekannte. Ein Walla-Markt etwa, ein Tempel der vergangenen Völlerei und des unmäßigen Genusses, wird ebenso durch den gesellschaftskritischen Kakao gezogen, wie Präsidenten und Verhaltensweisen unserer transatlantischen Freunde. Manche Anspielungen sind gelungen und ließen den Rezipienten schmunzeln, andere Versuche gerieten ein wenig zu derb oder oberflächlich, um als satirische Anmerkung zu funktionieren. In dieses ungewöhnliche Gerüst hat der Autor die wagemutige Weltenrettungsmission seiner Helden eingebettet.

Stilistisch konnte Ertlov im Vergleich zum ersten Teil zulegen. Gravierende Info-Dumpings finden sich kaum noch im Plot, allerdings gibt ein paar logische Brüche. Das Finale kommt mit der gewählten Auflösung nicht ganz glaubwürdig und etwas abrupt daher. Es ermöglich dem Autor jedoch, weitere Geschichten und Bände darauf aufzubauen.

Als Fazit bleibt mir also Ivan Ertlovs „Klingensänger“-Reihe und diesem zweiten Teil „Raue See & Reiche Beute – Der Ruf des Wendigo“ einen hohen Unterhaltungswert zu attestieren. Die pointierten Seitenhiebe auf gesellschaftliche Missstände erfreuen das Leserherz und spannend und kurzweilig ist die Geschichte allemal.

Carsten Kuhr

Raue See und fette Beute - Der Ruf des Wendigo
Der Tanz des Klingensängers, Band 2
Ivan Ertlov
Fantasy
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Oktober 2020
280
Bob Kehl

Funtastik-Faktor: 73

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