„Night Vale“ Lesung und Role Play Convention

Der Frühsommer in Köln 2016 ist ein gutes Pflaster für die, die gern Phantastik-Lesungen besuchen. Innerhalb einer Woche hatte der Fan der Phantastischen Literatur gleich zwei Gelegenheiten, interessante Autoren und Künstler zu erleben, die sich und ihr Werk dem Publikum vorstellten.

25. Mai 2016: Das Phantastische Quartett präsentiert  „Willkommen in Night Vale“

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Phantastisches Quartett

Schon auf der Leipziger Buchmesse fielen dem Besucher viele dunkel pinkfarbene  Poster, Papiertüten und natürlich Bücher auf, „Willkommen in Night Vale“ war in Deutschland angekommen.  Verleger und Autor Joseph Fink hatte in New York mit dem Theatermann Jeffrey Cranor Podcasts über eine Stadt in der Wüste produziert, in der allerlei skurrile Gestalten einen seltsamen und absurden Alltag leben. Aus dem Podcast wurde ein Roman und im März dieses Jahres ist bei der Hobbit-Presse (Klett-Cotta Imprint) die deutschsprachige Ausgabe erschienen – und seitdem allgegenwärtig. Kaum ein Literaturblog, der „Willkommen in Night Vale“ noch nicht besprochen hat, Aktionen wie Blogtouren und Verlosungen machen die Runde,  Denis Scheck spricht seine ausdrückliche Empfehlung in seiner Sendung „Druckfrisch“ aus.

Ich gestehe, ich mache ja um Bücher, die ‚gehypt‘ werden, oft einen Bogen, denn ich möchte lieber tolle Bücher entdecken, die sonst nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Aber durch die Blogtour auf Book Walk (und Liberiarium, Novembertochter, Who is Kafka und Stehlblüten) wurde ich doch auf „Willkommen in Night Vale“ neugierig.  Zum Glück unternahmen die Autoren Fink und Craner eine kleine Lesereise durch Deutschland und kamen mit Denis Scheck und Andreas Fröhlich nach Köln.  Am  25. Mai 2016 trat das Quintett in der Klubbar King George in der Nähe vom Ebertplatz auf und präsentierte eine unterhaltsame Mischung aus Lesungen und Gesprächen.

Joseph Fink und Jeffrey Cranor lasen Passagen aus ihrem Buch in Englisch vor und der bekannte Hörbuch und Synchronsprecher (von Edward Norton!) Andreas Fröhlich Kapitel aus dem deutschsprachigen Band.  Die zahlreich erschienenen Zuhörer (die Sitzplätze reichten nicht für alle) bekam einen Eindruck davon, wie schräg das Ensemble des Romans ist. Zum Beispiel die Pfandhausbesitzerin Jackie Fierro, die gerade 19 Jahre alt geworden ist und eigentlich schon immer 19 Jahre alt ist und es immer bleiben wird. Auch ihr Pfandhaus ist ungewöhnlich, denn jedes Pfand bringt dem Verkäufer 11 Dollar und einen vorübergehenden Tod. Darüber hinaus  lernten wir Diane und Josh Crayton kennen, eine vergleichsweise bodenständige Dame mit Bürojob und Mutter eines Gestaltwandlers. Und das intelligente Haus (Eureka lässt grüßen), in dem neben den Bewohnern eine gesichtslose Frau lebt, die ihren ganz eignen Kopf hat.

Die Gespräche, die Denis Scheck mit Joseph Fink,  Jeffrey Cranor und Andreas Fröhlich führte, offenbarten witzige Details über die drei Künstler. So erzählte Andreas Fröhlich, dass er seinen ersten Radioauftritt für den Sender Freies Berlin in einem Aufklärungsbeitrag hatte. Mit den „Willkommen in Night Vale“ Autoren sprach Denis Scheck über Verschwörungstheorien, zum Beispiel über die rund um den Flughafen Denver. Der wurde vor einigen Jahren neu erbaut und mit unterirdischen Bunkern untertunnelt. Man erzählt sich, dass Präsident Obama dort das vermeintliche Ende der Welt ausgesessen hat, als im Oktober 2011 der Komet Elenin nah an der Erde vorbei flog.

Wer Joseph Fink, und Jeffrey Cranor bei dieser Gelegenheit verpasst hat und dennoch mit den Autoren in die Welt von „Night Vale“ eintauchen möchte, hat übrigens im Oktober 2016 abermals die Chance. Die beiden Autoren kommen wieder und  präsentieren ‚live on stage‘ neue Episoden des berühmten Podcasts in Köln. Tickets sind bereits bei den einschlägigen Verkaufsstellen erhältlich.

28. und 29. Mai 2016: Role Play Convention – das 10 jährige Jubiläum

Akram El Bahay © Eva Bergschneider
Akram El Bahay

Ich bin immer noch kein Rollenspieler, aber weiterhin treuer Besucher der Role Play Convention in den Deutzer Messehallen, zumindest solange es dort ein phantastisches Leseprogramm gibt. Zum zweiten Mal organisierte der Verlag Feder & Schwert das Lesecafé und stellte dort bekannte und weniger bekannte Autoren und ihr aktuelles Werk vor. Den Auftakt machte am Samstagmorgen um 11 Uhr Akram El-Bahay mit einem Auszug aus dem zweiten Teil der „Flammenwüste“ Trilogie „Der Gefährte des Drachen“.  Danach stellten Oliver Hoffmann und Tom Daut die „Baker Street Artefakte“ vor, eine Anthologie, zu der Herausgeber Christian von Aster  den Verlag Feder & Schwert ein wenig überreden musste. Dieser hatte in Saarbrücken im Pub „Baker Street“ die teils recht kuriosen Fundstücke des Weltenbummlers Heinz Rox-Schult entdeckt,  die nur eines gemeinsam haben, ihre Herkunft ist weitestgehend unbekannt. Die einzelnen Artefakte boten sechszehn deutschen Phantastik-Autoren*innen die Grundlage für Kurzgeschichten, irgendwo zwischen Indiana Jones und Horror. An ersterem orientierte sich Tom Daut in seiner Geschichte „Pyramiden“, in der britische Abenteurer mysteriöse Grabbeigaben aus einer Pyramide bergen, hinter denen auch die Nazis her sind. Oliver Hoffmann präsentierte mit „Brandspuren“ eine Sherlock Holmes Story, in der der Meisterdetektiv sich mit einem ungewöhnlichen Partner verbündet.

Bernhard Hennen las einmal mehr eine witzige Passage aus dem finalen  Roman der Drachenelfen-Reihe „Himmel in Flammen“ , in der ein Troll und ein Kobold in einer Art Rettungskapsel (fliegender Aal) fliehen und sich das Leben nicht gerade leicht machen. Die Szene gewann wieder einmal die Publikumsabstimmung gegen die alternativ angebotene Liebesszene und machte auch beim zweiten Mal Hören Spaß (nach der PAN-Lesung). Anschließend unterhielt sich der Autor angeregt mit den Fans und erzählte interessante Details zum neuen Projekt „Die Phileasson-Saga“, das er gemeinsam mit Robert Corvus schreibt. Der erste Teil von den geplanten zwölf  „Nordwärts“ ist bereits erschienen.

Tommy Krappweis & Bina Bianca
Tommy Krappweis & Bina Bianca

Nach der Lesung mit Bernhard Hennen zog es mich auf das Außengelände und zur Musikbühne, wo ich mich davon überzeugen konnte, was für ein charismatischer Bühnenmusiker in Tommy Krappweis steckt. Gemeinsam mit der Sängerin Bina Bianca präsentierte er den Titelsong zu seinem Film „Mara und der Feuerbringer“ „Ein echter wahrer Held“, natürlich den „Tanzt das Brot“ Song  und die wunderschön gefühlvolle Ballade „The last of us Tribute Song“. Überhaupt ist der Entertainer  zur Institution der RPC geworden und hat in diesem Jahr auch noch sein neues Buch „Sportlerkind“ vorgestellt und den RPC Fantasy Award moderiert.

Der Sonntag startete für mich mit der Lesung von Diana Menschig aus der Anthologie „Verschlusssache“, herausgegeben von Fabian Dombrowski und Ingrid Pointecker im ohneohren-Verlag.  Siebzehn Autoren und Autorinnen haben Kurzgeschichten zu Verschwörungstheorien geschrieben. Diana Menschig hat sich in „Die verpatzte Mondlandung“ derer gleich zwei vorgenommen, die der gefakten Mondlandung und die Erich von Dänikens, wonach einst Außerirdische  auf der Erde waren und von unseren Vorfahren als Götter verehrt wurden. In Menschigs Version der Mondlandung steuern Außerirdische die Astronauten und erzählen ihre dramatische Geschichte.

Diana Menschig
Diana Menschig

Die Autorin verlas sie komplett und faszinierte mich durch ihren Vortrag und die anschließende Diskussion derart, dass ich die Anthologie einfach kaufen musste. Obwohl die Bielefeldverschwörung leider nicht vorkommt.

Ich ging noch zu der Konferenz von Oliver Hoffmann und Oliver Graute vom Verlag Feder & Schwert, die zwei Tage zuvor im Netz bekannt gegeben hatten, dass ihr Geschäft vom Uhrwerk Verlag in Köln aufgekauft wird. Ich hatte mit Oliver Hoffmann schon zuvor darüber gesprochen und mir versichern lassen, dass ihr Programm erhalten bleibt und man sich mit den finanziellen Möglichkeiten, die Uhrwerk bietet, sogar eine Verdopplung des Angebots erhofft. Bei dem Treffen ergänzten die beiden Verleger, dass in Zukunft die High Fantasy Sparte hinzugenommen wird. Auf meine Frage, ob der Fokus auf Steampunk Literatur erhalten bleibt, antwortete man etwas ausweichend mit dem Verweis, dass die Verkaufszahlen nicht so überzeugend wären und man abwarten müsse, welche Steampunk Titel eine Zukunft im Programm hätten.

Oliver Graute, Patric Götz, Oliver Hoffmann
Oliver Graute, Patric Götz, Oliver Hoffmann

Was schade ist, aber wohl nicht anders zu erwarten war.  Erfolgreiche Urban-Fantasy- Titel wie zum Beispiel die „Harry Dresden“ Reihe von Jim Butcher werden weiterhin publiziert, zurzeit kommt der Autor nur mit dem Schreiben nicht nach. Und auch von meiner geliebten IAIT-Reihe von Jens Schumacher und Jens Lossau mit Meister Hippolit und Jorge, dem Troll soll es  weitere Bände geben. Inzwischen hat Feder & Schwert auch die älteren bei Egmont Lyx erschienen Bände im Angebot, in ungekürzter Fassung erneut herausgebracht (einige Szenen waren dem ursprünglichem Verlag wohl zu heftig).

Mit Gastredakteur Carsten Steenbergen bin ich ein wenig über das Messegelände gebummelt und habe noch einige Autorenkollegen kennengelernt, bevor ich zu Tommy Krappweis „Sportlerkind“ Lesung ging. Das Buch steckt, ähnlich wie „Das Vorzelt zur Hölle“ voller Anekdoten mit Tommy als Fußball-Hasser und seinen Vater als Radsport-Nerd, die der Autor wieder witzig und mit vollem Körpereinsatz präsentierte.

Nach einer abschließenden Shoppingtour ging eine lesungsreiche Woche für mich zu Ende, sie hat mir wieder gezeigt, wie viel sich derzeit in der Phantastik-Literatur bewegt.  Die kleinen Verlage haben zu kämpfen, weil die Großen immer mehr die Vielfalt der Phantastischen Literatur für ihre Programme entdecken.  Was durchaus auch eine Folge daraus sein könnte, dass spezialisierte Kleinverlage zeigen konnten, wie viel Potenzial in phantastischen Themen jenseits der üblichen Sparten gibt.

Eva Bergschneider

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