Schwächer als der Auftaktband
Nora ist ein Bücherwurm. Sie liest gerne und viel. Dumm, dass sie von ihrer Großmutter eine Gabe geerbt hat: Sie kann in Bücher hineintauchen, ist plötzlich an Ort und Stelle des Romans oder des Sachbuchs. Für das Verreisen ist so etwas mehr als geschickt, wenn man sich so mir nichts, dir nichts nach New York oder L.A. lesen kann. Fatal, wenn man auf einem Schlachtfeld oder gar in einer Folterkammer landet.
Nora las sich im Auftaktband der „Noras Welten“ Serie „Durch den Nimbus“ in eine Fantasy-Buchwelt. Sie veränderte, sehr zur Empörung der Wächter, den Plot massiv. Statt dass der Böse auf dem Thron sitzt und seine Untertanen schikaniert, hat Nora dafür gesorgt, dass der Nette die Krone bekommt und gerecht über ein friedliches, prosperierendes Reich herrscht. Dass sie sich nebenbei noch in den Herrscher verliebt hat, kommt hinzu. Ihr Galan möchte möglichst bald nach der Krönung den Bund der Ehe mit seiner Holden, eben unserer Nora, eingehen.
Doch sie braucht eine Auszeit. Also kehrt sie zunächst zurück in ihre Welt, um ein wenig Luft zu holen und zur Ruhe zu kommen. Nach drei Monaten geht es zurück ins Königreich, in dem derweil nur wenige Tage verstrichen sind. Nora merkt schnell, dass einige Änderungen, für die sie gesorgt hatte, rückgängig gemacht wurden. Die Wächter, besser ein Wächter, sorgt dafür, dass der Plot wieder in das vom Verfasser vorgegebene Fahrwasser kommt.
Um ihn aufzuhalten und um den Tod ihres Geliebten zu vermeiden, muss sich Nora mit den Wächtern anlegen. Doch wo findet sie Hinweise auf diese? Wie kommt sie ihrer Festung, dem Hort, auf die Spur? Richtig. Einmal mehr greift sie zu Büchern, in denen wohl verborgene Hinweise versteckt sind. Zunächst geht es, begleitet von ihrem selbsternannten Verlobten und dessen Drachen, zu einer südamerikanischen Hochkultur, in deren Tempel sie Spuren vermutet. Dass ihr ein Wächter auf der Spur ist, merkt sie allzu bald. Weitere Hinweise findet sie in der Kälte des ewigen Eises und an Bord eines Piratenschiffs mit ausschließlich weiblicher Besatzung. Schließlich kommt es in der Festung der Wächter zum großen Show-Down.
Zu viele Buchwelten, zu wenig Tiefgang
Mit dem ersten Teil um Noras Welten „Durch den Nimbus“ gewann Madeleine Puljic den Selfpublisher Preis 2018. Der Piper-Verlag sicherte sich die Rechte nicht nur am ersten Teil, sondern auch an der Fortsetzung „Weltenbruch“, die nun, ein Jahr später, vorliegt. Ähnlich wie bei dem ersten Teil hat sich die Autorin bemüht, ihr Buch aus dem Allerlei der Buchlandschaft hervorzuheben. Jedes Kapitel wird durch eine kleine Illustration eingeleitet, die Seitenzahlen werden passend von zwei kleinen Säbeln eingerahmt. Inhaltlich führt sie ihren Plot in sich logisch zu einem vorläufigen Ende, eine Fortsetzung wäre denkbar.
Zunächst kehren Nora und der Leser in die recht typische Fantasy-Welt aus dem ersten Band zurück. Allerdings entwickelt sich der Plot anders als erwartet. Anstatt in der archaischen Welt die Auseinandersetzung mit den Wächtern voranzutreiben, verlagert Puljic ihre Handlung zunächst zurück in unsere moderne Realität, bevor sie dann in weitere Buchwelten aufbricht. Nicht weniger als drei Settings besucht sie. Die Beschreibungen bleiben, allein wegen der relativen Kürze, die die Handlung dort einnimmt, eher rudimentär. Hier kommt wenig Flair auf. Einzig das ausschließlich von Frauen gesegelte Piratenschiff sorgt aufgrund der ungewöhnlichen Crew für Pep. Ansonsten plätschert die Handlung mehr dahin, als dass sie uns mitreißt. Erst als sich der Fokus dann auf die Festung der Hüter verlagert, nimmt das Tempo zu.
Den oftmaligen Ortswechseln ist es anzukreiden, dass die Figuren letztlich blass bleiben. Außer Nora, die als Erzählerin im Zentrum steht, und deren innere Zerrissenheit gut aufgezeigt wird, bleiben die anderen Handlungsträger blass. König Keldan etwa erleidet durch die plötzliche Konfrontation mit der modernen Welt erstaunlich wenig Kulturschock. Auch die Besuche in drei Büchern stellen ihn und den Drachen vor keine größeren Probleme. Den Nora verfolgenden Wächter zeichnet die Autorin als verbohrten Pflichterfüller. Sie erläutert dessen Motivation zwar in sich schlüssig, das macht ihn uns aber nicht eben sympathischer.
Es mangelt dem Roman ein wenig an dem, was den Auftakttitel so lesenswert machte – die Leichtigkeit, die Spritzigkeit, auch der Humor blieben auf der Strecke. Insgesamt fehlt es an Tiefe, der Unterhaltungswert der nun zerrissenen wirkenden Geschichte ließ leider nach.
Carsten Kuhr
Noras Welten, Band 2
Fantasy
Piper Verlag
März 2020
319
Funtastik-Faktor: 56