Whispering Fields-Blutige Ernte – Thomas Finn

Mystery-Stoff aus alten Sagen gewebt

Whispering Fields-Blutige Ernte - Thomas Finn ©Knaur Hintergrund Abendhimmel, Vordergrund Getreidefeld mit aufsteigenden Raben, Schrift weiss und rot
Whispering Fields-Blutige Ernte ©Knaur

„Whispering Fields-Blutige Ernte“ spielt in der Lausitz, nordöstlich von Dresden und rund um Hoyerswerda. Ein Landstrich geprägt vom Braunkohletagebau, von Natur, Seen und unendlichen Getreidefeldern. Letztere sind der Schauplatz von so unerklärlichen, wie blutigen Ereignissen.

Es erscheinen Kornkeise in den Feldern der Lausitz. Also jene geheimnisvollen geometrischen Zeichnungen in Getreidefeldern, die schon sehr lange sporadisch auftauchen und deren Ursache bis heute nicht geklärt ist. Hier kommen sie gemeinsam mit einem Verbrechen.

Der siebzehnjährige Luca dreht Videos für seinen YouTube-Kanal „XFacts“, einem Videoblog der über übernatürliche Phänomene wie EVP (electronic voice phenomenon) berichtet. Luca glaubt durch Recherche herausgefunden zu haben, wo und wann der nächste Kornkreis entstehen wird. Sein drei Jahre älterer Freund Philipp hilft ihm. Kaum haben die beiden das Feld betreten, fangen die Ähren seltsam schnell zu wachsen an und erheben sich Massen von Heuschrecken. Der Abend endet dramatisch und blutig: Philipp liegt geköpft im Getreide, von Luca fehlt jede Spur.

Die Polizisten Sarah Richter aus Cottbus und der der Volkgruppe der Sorben angehörige Antonin Schultkas aus Hoyerswerda ermitteln bereits in anderen Fällen. Mehrfach wurden in der Lausitz Kornkreise gesichtet, Menschen verschwanden und weitere endeten als kopflose Leichen. Obwohl die beiden zunächst wenig herausfinden und ihnen allerlei gefährliche Seltsamkeiten begegnen, scheint der Fall auf sie zugeschnitten. Sarah Richters Ahnen scheinen bereits mit dem Übernatürlichen konfrontiert worden zu sein. Dazu kommt, dass eine Spur zu einem isolierten Dorf der Volksgemeinschaft der Sorben führt.

Lucas Zwillingsbruder Tim und seine Freunde Lea und Sven folgen den Spuren des Mysteriums, das der YouTuber aufgedeckt hat. Es führt sie zu der uralten und gruseligen Geschichte um Krabat, dem Lehrling des Zaubermeisters.

„Stranger Things“ meets „X-Factor”

Von “Stranger Things” lief gerade die viere Staffel im Streamingdienst Netflix. Eine Horror-Serie, in der Jugendliche in einer US-Kleinstadt Monstern aus einer Parallelwelt begegnen. Und die Welt davor retten, von diesen überrannt zu werden. In der TV-Sendung „XFaktor“ stellte Jonathan Frakes, den SF-Fans als Commander Riker aus „Star Trek-Next Generation“ kennen, abstruse Geschichten vor. Und fragte seine Zuschauer, ob es sich um Wahrheit oder Erfindung handelte. Da es auch in „Whispering Fields-Blutige Ernte“ um mystische Phänomene geht (und der YouTube Kanal des Verschwundenen sicherlich nicht zufällig „XFacts“ heißt) und Mut und Cleverness der jugendlichen Ermittler den Charme der Geschichte ausmachen, bietet sich dieser Vergleich an.

Tatsächlich stellen die Polizisten eine ganze Reihe von erklärbaren Hypothesen auf, bevor sie sich dem Nicht-Erklärbaren zuwenden. Tim, Lea und Sven hingegen kommen recht schnell dahinter, dass des Rätsels Lösung eher in der Mythologie des Landstrichs zu finden ist. Damit stellen die Jugendlichen die Arbeit der Polizisten in den Schatten. Ein reizvoller Wettbewerb entsteht, der Dynamik in die Geschichte bringt und die drei Jugendlichen zu Sympathieträgern macht.

Ekel, Grusel und Spannung

Die Szenen in den Getreidefeldern muten Lesenden einiges an Ekel zu. Thomas Finn inszeniert hier sehr anschaulich, wie sich umherhüpfende Heuschrecken zu einer plötzlich aufkommenden Plage und schließlich zu einem Monstrum entwickeln. Grusel und Spannung stecken in den Szenen, in denen die vermeintlich friedliche Atmosphäre der unheimlichen und schließlich tödlichen Szenerie weicht. Übertrieben wirkt die Szene mit einer Mähdrescher-Attacke, sie passt außerdem nicht zu der zugrundeliegenden Mythologie.

Geschichte mit lokaler Mythologie verknüpft

Thomas Finn bedient sich großzügig aus der Klischeekiste, was die Beschreibung der Verschwundenen angeht. Ein melancholisches Goth-Mädchen, eine untreue Hausfrau die sich im „Bett im Kornfeld“ vergnügt, ein sensationsgeiler Reporter, der es mit der Moral nicht so genau nimmt. Im Laufe der Handlung wird deutlich, dass sich diese Opfer jedoch in das Muster einer lokalen Mythologie fügen. Was für den Autor, wie schon in „Weisser Schrecken“ und „Aquarius“, typisch ist, ist die durchdachte Art und Weise, wie er seine Geschichte mit dem Mythos der „Krabat“ Sage verbindet. Diese stammt aus der Lausitz und Ottfried Preußler verwendete sie ebenfalls für sein gleichnamiges Kinderbuch. Thomas Finn greift hier auf eine weitestgehend unbekannte Kultur zurück, die der Sorben. Und verleiht der anerkannten, westslawischen Minderheit ein Gesicht.   

Sprachlich bisweilen sperrig

Als extrem störend empfand ich den zum Teil unnatürlich wirkenden Gebrauch von Synonymen. Eine kleine Kirche ist nicht einfach eine Kirche und ein Gotteshaus, sondern auch noch ein Sakralbau. Und welcher Polizist weiß denn nicht, was ein Blitzer ist? Anscheinend Antonin Schultkas, der auf Seite 64 zurückfragt, ob Sarah mit dem Begriff „Blitzer“ wirklich eine Radarfalle meint. Derlei holprig formulierte Sätze und Dialoge gibt es mehrere, was manchmal unfreiwillig komisch wirkt.

Fazit

„Whispering Fields-Blutige Ernte“ erzählt von unheimlichen Geschehnissen im Sommer in der Lausitz, die sich nach und nach mit der Saga um Krabat verbinden. Die Verknüpfung der Geschichte mit der sorbischen Mythologie verleiht ihr Spannung und Originalität. Die jugendlichen Protagonist:innen kommen sympathisch nerdig und als individuelle Persönlichkeiten herüber. Die Polizistin Sarah Richter bleibt trotz ihrer Verbindung zu der Mythologie eher blass, während Antonin Schultkas als cooler Typ mit kantigem Charakter und interessanter Vergangenheit gut funktioniert.

Den bisweilen holprigen Schreibstil hätte das Lektorat etwas glätten dürfen. Die Klischees sind manchmal doch ein wenig zu dick aufgetragen, ebenso manche Action- und Gefahren-Szene. Leider sah der Autor davon ab, im Finale noch ein Überraschungsmoment zu inszenieren, was sich durchaus angeboten hätte. Die Gruselgeschichte um Getreidemonster und bösen Zauber endet vorhersehbar.

Eva Bergschneider

Triggerwarnung: Mord, Blut, Köpfung, Insekten, Heuschrecken, Bulimie, EVP, Gewalt an Tieren, böser Zauber,

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