Falsche Schwestern & Feiste Schranzen-Krieg um den Goldenen Thron – Ivan Ertlov

Grande Finale im postapokalyptischen Fantasy-Thailand

Falsche Schwestern & Feiste Schranzen-Krieg um den Goldenen Thron (Tanz des Klinegnsängers Band 4)© Ivan Ertlov
Falsche Schwestern & Feiste Schranzen© Ivan Ertlov

Es kommt wie angekündigt: Ivan Ertlov schickt seinen Klingensänger in Rente. Und das mit einem gewaltigen, finalen Donnerschlag. Konnte Halbar zu Beginn des dritten Bandes „Elfenbein & Sternenkinder“ noch aus dem Selbstmitleid und Alkoholismus Loch kriechen, so hat ihm der Epilog dieses Afrika-Abenteuers den Rest gegeben. Aber diesmal sind die Auswirkungen weitaus gefährlicher: Zu Beginn von „Falsche Schwestern & Feiste Schranzen“ präsentiert sich der Klingensänger in einer gefährlich kalten und fatalistischen Gemütslage. Mit Disziplin und Entschlossenheit versucht er die Fesseln seines Blutfluchs abzustreifen und wandelt gefährlich an der Grenze zwischen Mensch und Dämon. Offiziell, um den Mord an seiner ehemaligen Reisegefährtin aufzuklären. Doch in Wirklichkeit geht es ihm um eines: Rache ohne Zurückhaltung, ohne Gnade, ohne Restriktionen.

Korruptes Matriarchat

Alles beginnt in Thailand, oder besser gesagt, in Tha – Ertlov’s Interpretation eines gewandelten und doch unverkennbaren Reiches Jahrhunderte nach dem Fall. Der Goldene Thron, das wohlhabendste Imperium der bekannten Welt, ist ein straff organisiertes Matriarchat. Handel, Religion und Herrschaft sind fest in der Hand von Frauen. Die meisten von ihnen sind Angehörige der als Schwesternschaft titulierten Elite. Männern ist die Partizipation untersagt. Das Höchste, das sie in ihrem Leben erreichen können, ist die Stellung einer Schranze – eines Höflings mit Beamtenfunktion. Begründet wird dies historisch. Es waren einst die Frauen, die im Schweiße der widerlichen Toros den Wohlstand erwirtschafteten und die seelischen wie körperlichen Folgen trugen. Alles Gold ist ihr Verdienst.

Zotig, brutal und doch sensibel

Man merkt rasch: Ertlov nimmt sozial- und gesellschaftspolitisch kein Blatt vor den Mund. Der Sextourismus und seine Folgen werden ebenso schonungslos thematisiert wie die Kluft zwischen Arm und Reich, Stadt und Land, Nord und Süd. Dies geschieht zwischen Mordermittlungen und Schlachten, zwischen humoristischen Seitenhieben und aufwändigem Reiseabenteuer. Der vierte Band des Klingensängers ist epische Fantasy mit sparsam gesetzten, aber umso brutaleren Kämpfen, düsterer Mystik, einer Prise Horror und viel Humor. Aber eben nicht nur. Eine stark reflektierende, politisierende Ader zieht sich durch das Geschehen. Dies geschieht mit reichlich Empathie für die Betroffenen, und Respekt vor Kultur und Religion. Sensitivity reading kam von einer thailändischen Universität und dem Institut für interreligiösen Dialog. Das merkt man, umso mehr, da auch die muslimische Inspektorin Lieke van der Isar zurück und deutlich aufgewertet ist. Kaum vorstellbar, dass ein ‚westlicher‘ Fantasyautor die 109. Sure als Teil der Handlung zitieren lässt, ohne in ein Fettnäpfchen zu treten. Aber genau das ist hier der Fall.

Nicht für jede, nicht für jeden

Spätestens jetzt ist klar – im Vergleich zum trashig-lustigen „Zwergenstahl und Drachenfeuer“ sowie dem klamauklastigen „Raue See und Reiche Beute“ büßt Band Vier ebenso wie der direkte Vorgänger vor allem eines ein: Massentauglichkeit. Ertlov hat seine Charaktere und die Welt weiterentwickelt, die nicht zuletzt aufgrund der Handlungen der Protagonisten im Steampunk-Zeitalter angekommen scheint. Aber auch Melancholie und düstere Betrachtungen haben Einzug gehalten, zusammen mit einem sich schleichend in den Vordergrund drängenden Tiefgang. Und damit steigt auch der Anspruch an Leser und Leserin. Klar kann man auch den vierten Teil des Klingensängers einfach nur als Unterhaltungsliteratur konsumieren, aber dann verpasst man fundamentale Erkenntnisse und viel Substanz. Ertlov setzt ein Mindestmaß an Empathie, sozialem Gerechtigkeitssinn und auch Geschichtswissen voraus. Wer das nicht hat, bleibt irgendwie auf der Strecke. Und es ist schwer vorstellbar, dass jugendliche FantasyleserInnen es voll verstehen können. Aber für die ist das Werk ohnehin nicht geeignet.

Ein geglückter Abschluss

Ertlov schafft es nach der „Avatar“ Reihe zum zweiten Mal, eine Serie nicht nur von Band zu Band zu steigern, sondern auch fulminant und befriedigend abzuschließen. Vom schenkelklopfenden B-Movie mit einfacher Handlung „Zwergenstahl & Drachenfeuer“ über die Klamauk-Horror-Piratenstory „Raue See & Reiche Beute“ bis zum düsteren Eintauchen in ein afrofuturistisches Fantasy-Abenteuer in „Elfenbein & Sternenkinder“ war eine stetige Steigerung les- und spürbar. Das Finale zieht abermals ordentlich an, was Bildgewalt, Sprache und Erzählkunst betrifft. Gelacht wird noch immer oft genug, Spannung und Staunen wechseln sich ab. Das Ende lässt kaum Wünsche offen.
Fortsetzung? Bitte nur, wenn diese auch Sinn macht. 

Fazit:

„Falsche Schwestern & Feiste Schranzen“ ist ein ebenso intelligentes wie spannendes Fantasy-Abenteuer, das Reisen und Leben des Klingensängers gekonnt abschließt. Es wird gelacht, es wird geliebt, es wird gekämpft und gestorben, während ringsum finstere Mächte ihre Opfer fordern. Politisch, bissig, humorvoll und oft genug erstaunlich emotional . Kurz: empfehlenswert.

Dank! an Gastredakteurin Tamara Yùshān

Falsche Schwestern & Feiste Schranzen-Krieg um den Goldenen Thron
Der Tanz des Klingensängers, Band 4
Ivan Ertlov
(Dark) Fantasy
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April 2021
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Romana Witschi/Homegrown Games
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