Über Steampunk, Lieder, nasenhohe Nesseln, queere Charaktere und Freiheit
„Ja, ich habe gerne ein bisschen Konfliktstoff mit in einem Buch. Aber ich mag es nicht, wenn man damit wie mit der Keule geschlagen wird. Gut verpackt muss es sein. Letztlich sind wir Phantastik-AutorInnen ja beinahe die letzte literarische Phalanx, die die Auseinandersetzung zwischen „gut“ und „böse“ noch thematisiert.“
phantastisch-lesen: Ju, Du bist eine Allround-Künstlerin. Du schreibst nicht nur Bücher und Gedichte, sondern auch Lieder. Du begleitest Deinen Gesang mit der Gitarre. Befruchten sich Deine künstlerischen Talente gegenseitig? Ist zum Beispiel einmal aus einer Liedzeile eine Idee für ein Buch entstanden, oder ähnliches?
Ju Honisch: Tatsächlich ist das so. ich habe Lieder zu meinen Büchern geschrieben, und wiederum ein Lied von mir hat die Inspiration für Seelenspalter abgegeben.
Bei meiner ersten Kurzgeschichtensammlung Bisse gibt es zu jeder Geschichte ein Lied. Ich hatte ursprünglich einmal gedacht, Buch und CD parallel herauszubringen, aber das hat leider nicht so geklappt. Im Moment bin ich weitaus mehr damit beschäftigt, Bücher zu schreiben als Lieder. Die Zeit reicht einfach nicht für alles. Der Tag braucht dringend mehr Stunden.
phantastisch-lesen: Gibt es weitere Bücher mit Liedern von Dir?
Ju Honisch: In „Die Quellen der Malicorn“ gibt es mehrere kurze Lieder, die Teil der Handlung sind. Auch ein von mir übersetztes irisches (gälisches) Lied, das ich irgendwann mal aufnehmen und ins Internet stellen wollte. Allein, auch dazu hat die Zeit wieder nicht gereicht.
Tá mé ‚mo shuí (ich sitze hier)
„Kein Schlaf, seit der Mond zuletzt am Nachthimmel stand.
Das Feuer nur schürte ich, ließ die Kohlen erglühen.
Alles ruht, während ich nur noch Trauer und Tränen fand,
und ich höre nie mehr des Morgens die Hähne noch krähen.Deine Lippen, dein Blick haben mir die Seele gefangen.
In deinen funkelnden Augen fand ich kurz Glück.
Ich sehne mich nach dir, doch kann ich nicht zu dir gelangen,
denn die Berge der Welten sind hoch zwischen uns gerückt.Der Weise weiß um der Liebe tödliches Leiden.
Ich glaubte es nicht, bis mein Herz deinem Zauber erlag.
Die Banshee selbst sagt, es ließe sich nicht mehr vermeiden,
denn lodernde Seelen sind gebannt bis zum Jüngsten Tag.“
In „Salzträume“ gibt es zwei Lieder, die Arpad singt. Beide basieren allerdings auch auf Volksliedern, die ich übersetzt bzw. der Handlung entsprechend ein wenig modifiziert habe. Das Recht habe ich mir einfach herausgenommen.
phantastisch-lesen: Du hast eine historisch angehauchte Steampunk-Reihe beim Kleinverlag Feder & Schwert veröffentlicht und bist derzeit bei Droemer Knaur mit einer Fantasy-Reihe. Hättest Du gern mehr Steampunk geschrieben? Und hast auch Du die Erfahrung gemacht, dass sich Steampunk nicht verkauft? Selbst Feder & Schwert hat Steampunk nicht mehr im Programm.
Ju Honisch: Meine „Steampunk“-Werke sind inzwischen als E-Book zu Droemer Knaur gewandert und dort erhältlich. Tatsächlich kann ich das Label „Steampunk“ nicht wirklich für mich in Anspruch nehmen, denn in den vier Bänden gibt es genau 1 (eine) dampfbetriebene Doomsday-Machine. Auch handelt es sich nicht um technische Parallelwelten, sondern um die wirkliche Vergangenheit – mit der Dreingabe einiger mythischer Kreaturen. Ich selbst interpretiere Steampunk so weit, dass man die vier Bücher dazuzählen könnte. Doch die meisten haben von dem Subgenre eine weitaus enger gefasste Meinung. Dann wären meine Bücher Historical Fantasy.
Und tatsächlich hätte ich gerne diese Reihe fortgeführt, denn es sind immer noch meine Lieblingsbücher. Aber es sah nicht so aus, als würde mir jemand weitere Bände dazu abkaufen. Wie jede/r andere Autor/Autorin auch, finde ich, dass die Bücher ein größeres Publikum verdient hätten und sich ganz wunderbar verfilmen lassen würden. Und ich kann jetzt einfach raten, ob sie unter dem Stigma Steampunk leiden, für Steampunk einfach zu früh dran waren, oder eben gar kein Steampunk sind.
phantastisch-lesen: Wie kam es dazu das Droemer Knaur die ehemaligen Feder & Schwert Bücher „Das Obsidianherz“, „Salzträume“, „Jenseits des Karussels“, und „Schwingen aus Stein“ erneut veröffentlicht hat?
Ju Honisch: Als Feder & Schwert verkauft wurde, waren meine Bücher fast vollständig vergriffen. Wie du schon sagst, die neuen Leute bei Feder&Schwert (gemeint ist der Uhrwerk-Verlag, der Feder & Schwert 2016 gekauft hat) fahren ein anderes Konzept und wollten deshalb keine Neuauflagen machen. Da traf es sich gut, dass Droemer Knaur Interesse hatte. Natürlich wären mir gedruckte Bücher lieber. Vielleicht kommt das noch einmal. Oder vielleicht mache ich es irgendwann selber.
phantastisch-lesen: Was ist die wichtigste Umstellung für einen Autor /eine Autorin, wenn er/sie von einem kleinen Verlag zu einem Publikumsverlag wechselt? Hat man in einem kleinen Verlag nicht mehr Einfluss auf zum Beispiel die Covergestaltung oder das Marketing?
Ju Honisch: Jetzt setzte ich mich vermutlich in die nasenhohen Nesseln. Aber tatsächlich war die größte Erkenntnis, dass der Unterschied gar nicht so gravierend ist. Bei kleinen Verlagen hat man ein persönlicheres Verhältnis. Bei großen Verlagen ist man einer von einer Fließbandkette, hat aber immerhin die Möglichkeit, besser in den Großhandel bzw. Buchhandel zu kommen.
Allerdings, wenn kleine Verlage nicht viel PR machen können, weil sie das Geld nicht haben, so machen das große Verlage für weniger bekannte Autoren ebenso wenig. Weil sie den vorhandenen Werbeetat fast vollständig auf ihre Bestsellerautoren verblasen. Also bei einem Kleinverlag habe ich mir meine Lesungstermine selbst organisiert, meine eigenen Werbeunterlagen drucken lassen und gehofft, dass meine Bemühungen auch dem Verlag zugutekommen. Bei einem großen Verlag (und ich habe Heyne und Droemer Knaur im Erfahrungshorizont) änderte sich in der Hinsicht NICHTS. Zu den Buchmesseveranstaltungen werden primär die Männer mitgenommen oder solche jungen Autorinnen, die niedlich oder anziehend genug aussehen. So. Jetzt sitze ich in den Nesseln. Autsch.
phantastisch-lesen: Ich würde gern mehr über Dich als Autorin und Mensch erfahren. Gibt es andere Autoren und Autorinnen, die Dich und Deine Bücher beeinflussen? Wenn ja, welche?
Ju Honisch: Man wird ja immer von vielen beeinflusst. Deshalb muss man noch nicht so schreiben wie sie. Das würde ja auch niemand wollen. Tanya Huff hat mich inspiriert, Lois McMaster Bujolt, Terry Pratchett. Ich mag auch Charlie Stross, Flann O’Brien, auch die Gothic Novels des 19. Jahrhunderts – ach, und so viele, viele andere, nicht nur aus dem Genre. Zum Beispiel hat auch Georgette Heyer mit ihren Regency-Romanen einen gewissen Einfluss auf mich gehabt. Meine großen Romane hatten ja bis jetzt immer eine kleine Liebesgeschichte mit dabei.
phantastisch-lesen: Was erstellst Du für Deine Bücher und Geschichten zuerst? Das Worldbuilding, die Figuren oder die Handlung?
Ju Honisch: Da man ja immer ein gut ausgearbeitetes Exposé liefern muss, bevor es überhaupt losgeht, ist in Teilen alles schon zu Anfang da. Worldbuilding ist natürlich Voraussetzung. Ohne Festlegung einen Tech-Levels oder allgemeiner Lebensumstände, kann man nicht anfangen. Dann sind mir aber immer Charaktere wichtig. Ich möchte, dass man sie als Personen erfühlen kann. Dazu können sie einem sympathisch sein – oder auch unsympathisch – Hauptsache, sie sind keine „Stock Figures“, sondern haben ein Innenleben. Die Handlung habe ich am Anfang nur ungefähr skizziert. Tatsächlich erleben meine Helden und Heldinnen das Geschehen beinahe live, denn ich habe die besten Ideen, während ich schreibe und nicht vorher auf einem Plan.
phantastisch-lesen: Wie teilst Du Dir Deine Zeit zum Schreiben ein? Du bist ja auch berufstätig. Schreibst Du gern nachts?
Ju Honisch: Ich schreibe morgens vor der Arbeit ein bisschen und abends nach dem Abendessen. Und natürlich am Wochenende. In letzter Zeit habe ich Probleme bekommen, mit so wenig Schlaf auszukommen. Im Moment geht es etwas langsamer voran.
phantastisch-lesen: Für „Das Obsidianherz“ hast Du den Deutschen Phantastik Preis als ‚Bestes Debut‘ erhalten und für „Schwingen aus Stein“ den SERAPH, den Förderpreis der Phantastischen Akademie. Was bedeuten Dir diese Auszeichnungen?
Ju Honisch: Die Auszeichnungen bedeuten mir sehr, sehr viel. Ich denke, jede/r Autor/in hat einmal Phasen, in denen er/sie nicht mehr sicher ist, ob das, was er/sie schreibt, gefällt. (Gelegentlich nervt diese Genderei.) Oder ob das Ausbleiben des von allen gleichermaßen erhofften Bestsellertums ein Zeichen ist, das Schreiben sein zu lassen und in Zukunft Kegeln zu gehen oder edle Silberfische zu züchten. Dann helfen diese beiden Preise, diese Gedanken wieder aus dem Gehirn zu pusten. Ich könnte ohnehin nicht aufhören zu schreiben. Ich habe es ja mein Leben lang getan und als Kind schon damit angefangen. Es ist Teil von mir. Es nicht zu tun käme einer Verstümmelung gleich.
phantastisch-lesen: Zwei Bände der „Klingenwelt“-Romane „Seelenspalter“ und „Blutfelsen“ sind nun bei Droemer-Knaur erschienen. Die Geschichte hat ja eine recht weitreichende Rahmenhandlung. Wie viele Bände könntest Du darüber schreiben?
Ju Honisch: Das ist schwer zu beantworten, weil es nicht an mir liegt, das zu entscheiden. Ich könnte noch einige Bände dieser Serie schreiben, habe einen schon angefangen und weitere Ideen skizziert. Ob Droemer Knaur sie fortsetzt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Darauf habe ich keinen Einfluss. Droemer Knaur hat damals keinen Serienvertrag mit mir gemacht. Wenn sie aufhören, hören sie auf.
phantastisch-lesen: Beim letzten Treffen des PAN Autorennetzwerks gab es eine kontroverse Diskussion über Frauenfiguren in der Fantasy. Du bist eine Autorin, die stets interessante Frauen in den Mittelpunkt der Handlung stellt, wie man an den „Klingenwelt“-Romanen schön sieht. Wie stehst du zu der diskutierten Frage: Sollte es generell mehr Frauen unter den Fantasy-Protagonisten geben? Und sollte es mehr queere Charaktere geben?
Ju Honisch:Ich denke, jeder sollte das schreiben, was er/sie am besten schreibt. Ich schreibe lieber Frauencharaktere. Ob es mehr queere Charaktere geben soll? Sicher nicht gezwungenermaßen. In „Jenseits des Karussells“ und „Schwingen aus Stein“ ist ja Ian dabei, der seine ersten sexuellen Erfahrungen nicht mit Mädchen gemacht hat und noch nicht abschließend entschieden hat, ob er solche überhaupt je machen will. Eine Geschichte, die sich primär um Homosexualität dreht, könnte ich nicht gut schreiben. Da fehlt mir die Kenntnis. Es wäre ein bisschen anmaßend von mir. Ich selbst lese aber gerne Liebesgeschichten jeder Art. Das Kriterium für mich ist nicht, wer liebt wen und auf welche Weise, sondern wie gut und einfühlsam wird es beschrieben. In einem meiner angefangenen Manuskripte gibt es zwei Frauen, bei denen ich überlegt habe, ob sie nicht besser zusammenpassen, als jeweils eine mit einem Mann. Der Entscheidungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Dafür muss ich die beiden Mädels noch ein bisschen besser kennenlernen.
phantastisch-lesen: Wie wichtig ist es für Dich, dass Fantasy-Literatur eine politische oder moralische Botschaft transportiert?
Ju Honisch: Es war immer die Aufgabe von Märchen, eine solche Botschaft zu transportieren. Und wir schreiben letztendlich eine Art Märchen. Ja, ich habe gerne ein bisschen Konfliktstoff mit in einem Buch. Aber ich mag es nicht, wenn man damit wie mit der Keule geschlagen wird. Gut verpackt muss es sein. Letztlich sind wir Phantastik-AutorInnen ja beinahe die letzte literarische Phalanx, die die Auseinandersetzung zwischen „gut“ und „böse“ noch thematisiert. Vieles der hohen Literatur verliert sich da in Schattierungen von Graubereichen und Ego-Schau. Eine Kritik, in der sich ein Kritiker mal äußerte, „Die Quellen der Malicorn“ wären ihm ein wenig zu politisch, hat mich eher gefreut als geärgert. Meine bösen, rassistischen Einhörner …
phantastisch-lesen: Autoren nutzen heute allerlei Social Media Kanäle, um auf sich und die Bücher aufmerksam zu machen, genauso wie Blogger. Kannst Du einschätzen, wie viel Zeit Du pro Tag mit Facebook, Twitter und Co verbringst? Was postest Du? Die Rankings Deiner Bücher, Rezensionen oder eher persönliches?
Ju Honisch: Nun, du hast ja schon angemerkt, dass ich berufstätig bin. Deshalb tu ich da nicht so viel, wie manche andere, die den ganzen Tag Zeit– oder auch einfach nur ein besseres Marketing-Konzept haben. Ich bin nicht wirklich gut darin, mich selbst zu vermarkten. Ich bin leider unter der Vorgabe aufgewachsen, dass man sowas nicht tut. Blödsinn natürlich. Ich würde mir so sehr eine Fangruppe wünschen, die vor lauter Begeisterung über mein Werk die gesamte Social Media Landschaft unsicher macht. Hach, das wäre schön. Dann müsste ich nicht dauernd mein Fähnchen schwenken und hüpfen, damit mein Kopf gelegentlich aus dem Dschungel der Veröffentlichungen hervorsticht.
Rankings gucke ich nie nach. Ich kann sie ja doch nicht beeinflussen. Am Anfang habe ich das getan. Rezensionen lese ich, halte es aber, soweit mir das gelingt, wie mit dem Horoskop: Steht etwas Gutes drin, ist das fein. Steht etwas nicht so Gutes drin, dann weiß man ja, Horoskope sind Blödsinn.
phantastisch-lesen: Du veranstaltest gern Lesungen auf Phantastik-Veranstaltungen und Cons. Was bedeuten und bringen Dir diese Auftritte?
Ju Honisch: Ich habe während des Studiums geschauspielert, etwas was mir bis heute Spaß macht. Wenn ich Zeit hätte, würde ich mir sicher wieder irgendeine Gruppe suchen. Ich singe auch gerne auf der Bühne. Ich lese also ohne Scheu und mit Vergnügen. Ich treffe auch unglaublich gerne LeserInnen und unterhalte mich mit ihnen. Man kann aus Reaktionen viel lernen. Selbst aus Fehlinterpretationen kann man lernen.
Aber ich bin auch einfach nur gerne im Fandom unterwegs, weil ich dazugehöre. Ich bin Rollenspielerin, liebe SF und Fantasy und die gesamte geekige, bunte, phantasievolle Welt drumherum. My tribe.
phantastisch-lesen: Gibt es neben der Klingenwelt aktuell ein weiteres Roman-Projekt, an dem du arbeitest?
Ju Honisch: Im Moment gibt es mehrere Ideen und einiges Angefangenes. Der Agent geht gerade hausieren, und wir werden sehen, was es wird. Wobei ich auch mit dem Gedanken liebäugle, einfach wieder mal ohne einen Vertrag, der mich vorab bindet, zu schreiben. Die besten Sachen, die ich geschrieben habe, sind so entstanden. Sich am Geschmack von Verlagsmarketingabteilungen entlang zu hangeln, ist nicht so befriedigend, wie man meint. Und vielleicht fange ich an, die Tatsache, dass mein Gehalt von meinem Brötchenjob kommt, nicht nur als Einschränkung, sondern auch als Freiheit zu sehen. Ich muss mich nicht immer anpassen, nur um nicht zu verhungern. Ich wollte mich ja nie in die Selfpublishingwelt einarbeiten – hauptsächlich aus Zeitgründen und weil ich lausig in IT bin. Aber sie ist eben da und steht als Alternative zur Verfügung.
phantastisch-lesen: DANKESCHÖN, Ju, dass Du dir Zeit für meine vielen Fragen genommen und den phantastisch-lesen Lesern ein wenig über Dich erzählt hast.
Das Interview führte Eva Bergschneider per e-mail
Habt Ihr sehr gut gemacht. Danke fuer das fundierte Interview.
DANKE! 🙂
Herzlichen Dank für das schöne Interview. Ich möchte hier mal kundtun, dass ich besonders die Bücher „Das Obsidianherz“ und die beiden „Salzträume“-Bände sehr, sehr gerne mochte. Es ist nun schon eine Weile her, dass ich die gelesen habe, aber ich erinnere mich, dass ich in fast alle Figuren ein bisschen verliebt war. Hach. 😉
DANKE für Dein Feedback. Ich habe „Das Obsidianherz“ noch nicht gelesen, mir das aber fest vorgenommen. Ich höre wirklich nur Gutes darüber. Liebe Grüße, Eva