7 Leben 13 Tode – Heike Schrapper

Rein in den Alltag – raus nach Absurdistan

7 Leben 13 Tode - Heike Schrapper © Edition Roter Drache
7 Leben 13 Tode © Edition Roter Drache

„In mir ist kein Roman“ schreibt Heike Schrapper im Vorwort und erklärt, dass sei ihre Antwort auf die Frage, warum sie ‚nur‘ Geschichten in Anthologien schreibe und kein richtiges Buch. „7 Leben 13 Tode“ ist ebenfalls eine Anthologie und zugleich das erste Buch mit Kurzgeschichten aus ihrer Feder. Ich wollte es lesen, weil mir Heike Schrappers Kurzgeschichten zuvor positiv aufgefallen waren. In der Anthologie „Geister der Vergangenheit“ mochte ich ihre Geschichte „Die Last“ sehr gern. Und in „Dunkle Ziffern“, der Anthologie über Missbrauch, war ihr Beitrag „Der Prinz und sein Monster“ überraschend positiv und aufmunternd. Außerdem wird es mal wieder Zeit für ein bisschen Horror auf phantastisch-lesen, das Genre, was wir sträflich vernachlässigen.

21 Horror-Kurzgeschichten hat Heike Schrapper für ihre eigenen Anthologie zusammengetragen, die vielfältiger und unterschiedlicher kaum sein könnten. Von gekonnt dosierten Splatter, über hintergründigen und absurden Grusel, bis hin zum hundsgemeinen und humorvollen Horror ist alles dabei.

Verrückte, Verzweifelte, Verstorbene

Die Anthologie beginnt mit „Der hl. Martin der Maden“, eine Geschichte deren Titel mir vorab Unbehagen bereitete. Denn bei Horrorgeschichten mit Insekten und Viechern ist der Ekelfaktor schnell erreicht. Doch diese Geschichte überraschte mich positiv und wurde zu einer meiner liebsten aus der Anthologie. Denn diese Maden sind clever. Ähnlich clever, wie ein gewisser US Start-Up Unternehmer aus den frühen 2000ern, der mit sozialen Netzwerken die gesamte Welt verbindet und Milliarden mit den persönlichen Daten der Nutzer:innen scheffelt.

„Pärchenhorror“ ist eine Geschichte, die ein Stück weit jenen aus der Seele spricht, die über längere Zeit erfolglos einen Partner oder eine Partnerin suchen. Doch das argwöhnisch beäugte augenscheinliche Traumpaar aus der Geschichte entpuppt sich als – Albtraum.

Der Erste Weltkrieg bildet den Hintergrund zu „Er ist wieder da“. Es ist eine Geschichte, die nicht nur den wahrhaftigen Horror von Kriegen anprangert, sondern über ein moralisches Dilemma erzählt, das nicht nur die Protagonistin an ihre Grenzen bringt. Als LeserIn fragt man sich unweigerlich: „Was würde ich tun?“. Das Ende der Story bleibt offen und wirkt fragmentarisch. Und gerade deswegen eine Weile nach.

„Gotteskrieger“ war die erste Geschichte von Heike Schrapper, die in einer Anthologie, in „Krieger“ aus dem Verlag Torsten Low, veröffentlicht wurde. Sie ist eine mutige Geschichte, die sich um die Themen Religiosität und Terror dreht. Im Nachwort schreibt Heike Schrapper, dass sie sich der Brisanz ihrer Themenwahl und möglichen Missverständnissen sehr wohl bewusst war. Und auch ich fragte mich auf den ersten Seiten, wohin dieser Anfang wohl führen würde. „Gotteskrieger“ entpuppte sich als die wahrscheinlich unverfänglichste und komischste Geschichte, die ich je zu dieser Materie las. Und landete 2013 zu Recht auf dem dritten Platz des Deutschen Phantastik Preis in der Kategorie Kurzgeschichte

Zombies sind ähnlich wie Maden ein Thema, mit dem ich wenig anfangen kann. Dazu mache ich um Splatter-Geschichten generell einen Bogen. Doch mit „Die Rückkehr der faulen Schlampe“ schrieb Heike Schrapper eine absolut abgedrehte Geschichte über einen an Bizarrerie nicht zu überbietenden Porno-Dreh, die einfach einen Riesenspaß macht. Und in einen spannenden postapokalyptischen Rahmen eingebettet ist. Wenn ich eine Lieblingsstory aus dieser Anthologie, die durchgängig originelle und unterhaltsame Geschichten enthält, benennen sollte, meine Wahl fiele auf die „Schlampe“.

Kurzgeschichten mit Kick

Heike Schrapper hat es mit „7 Leben 13 Tode“ in mehrfacher Hinsicht geschafft, mich positiv zu überraschen. Einerseits dachte sie sich gerade zu Themen, denen ich normalerweise wenig abgewinnen kann, besondere Handlungen aus, die mich verblüfft oder amüsiert haben. Ihre Figuren sind oft Stereotypen, deren vermeintlich normale Macken ins Abnormale abgleiten. Dadurch kann man sich zu Beginn mit dem Protagonisten identifizieren, bis Absurditäten das Geschehen bestimmen. Dazu kommt, dass die Autorin eine Spezialistin für unerwartete Wendepunkte ist. Wirklich jede Geschichte hat ihn, diesen nicht vorhersehbaren Kick. Egal ob das Finale offen bleibt oder abgeschlossen wurde.

Fazit

Die Anzahl der Anthologien und Kurzgeschichten, die ich gelesen habe, ist bisher ziemlich überschaubar. Ich gelobe Besserung, denn Kurzgeschichten sind zwar kurze, aber umso intensivere literarische Abenteuer. Knackig und gehaltvoll, zumindest wenn sie in so hoher Qualität dargereicht werden, wie in „7 Tage, 13 Tode“. Wenige Stories der Anthologie haben mich nicht so mitgerissen, wie die hier beschriebenen. Oder wie „Die Last“ und „Der Prinz und sein Monster“, die mich erst dazu gebracht haben, eine Kurzgeschichtensammlung von Heike Schrapper zu lesen. Wie gesagt, meine Vergleichsmöglichkeiten sind begrenzt und daher ist mein letztes Fazit eher persönlich als repräsentativ. Doch für mich gehört Heike Schrapper nun mit Frank Hebben zu den AutorInnen, die die coolsten und außergewöhnlichsten Kurzgeschichten schreiben.

Triggerwarnung: Gewalt, Verstümmelung, Sexuelle Gewalt, Vergewaltigung, Tod, Mord, Selbstmord, 

Eine Übersicht aller Kurzgeschichten in „7 Tage, 13 Tode“:

  • Der hl. Martin der Maden
  • Verflucht
  • Der Turm
  • Pärchenhorror
  • Kastanienkönig
  • Aufwachen
  • Hilde Strunck und die Wichtel
  • Die Tür
  • Er ist wieder da.
  • Silke und Klaus
  • Gotteskrieger
  • Der Mondschirm
  • Amok
  • Die Last
  • Fremde auf der Brücke
  • Fremde auf der Klippe
  • Die Rückkehr der faulen Schlampe
  • Dies ist keine Geschichte
  • 28 Pages later
  • Jasmin
  • Der Prinz und sein Monster

Eva Bergschneider

7 Leben 13 Tode
Heike Schrapper
Horror
Edition Roter Drache
Februar 2020
252
Björn Ian Craig
84

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